Schwarz-Gelb und die Oppositionsparteien SPD und Grüne sind mit ihrem Wunschkandidaten für die Nachfolge des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff nicht weitergekommen: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, lehnte eine Kandidatur nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus mehreren Quellen am Samstag nach einer Bedenkzeit ab. Als mögliche Konsenskandidaten wurden in Koalitionskreisen noch der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) genannt. Allerdings ist Lammert in Teilen der Union wegen seiner oft kritischen Haltung zum Regierungskurs umstritten - und am Samstag abend verlautete es aus CSU-Kreisen in München, Lammert habe ebenfalls abgesagt.
Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete am Samstag offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Wulff ein, dessen Immunität mit seinem Rücktritt endete. Ein Treffen im Kanzleramt mit den Oppositionsparteien SPD und Grünen für eine mögliche überparteiliche Einigung über die Nachfolgefrage könnte nach dem gescheiterten ersten Anlauf frühestens am Sonntag stattfinden. Es gebe dafür aber noch keinen festen Zeitpunkt, hieß es aus Koalitionskreisen.
Dennoch soll die Nachfolge möglichst rasch geklärt werden. Am Montag gehen die Verhandlungen über die Euro-Schuldenkrise und die Griechenland-Rettung weiter. Mit einer schnellen Entscheidung will die Politik nach dem zehnwöchigen Gezerre um Wulff Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen und Handlungsfähigkeit demonstrieren.
Töpfer aus dem Rennen, Huber im Gespräch
Die Spitzen von CDU, CSU und FDP hatten sich nach dpa-Informationen bei einem rund zweistündigen Treffen im Kanzleramt am Samstagvormittag darauf geeinigt, den 48 Jahre alten Voßkuhle zu fragen, ob er zu einer Kandidatur bereit sei. An dem Gespräch hatten die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP teilgenommen. Aber Voßkuhle lehnte ab.
Damit kam auch Wolfgang Huber ins Gespräch. Der 69-jährige war bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er stehe der SPD näher als der Koalition, werde als Vertreter der Kirche aber auch in Koalitionskreisen geschätzt. Der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) sei dagegen aus dem Rennen, hieß es in Koalitionskreisen. Der von der SPD favorisierte Ex-DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der 2010 gegen Wulff verloren hatte, schien im Lager von Union und FDP weiterhin kaum durchsetzbar.
Die Oppositionsparteien SPD und Grüne stellten sich auf Gespräche mit Schwarz-Gelb über einen gemeinsamen Kandidaten am Sonntag ein. Die SPD brachte erneut Gauck ins Spiel. Einen Kandidaten aus dem Bundeskabinett schlossen SPD und Grüne aus. Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), warnte die beiden Oppositionsparteien im Deutschlandfunk davor, die Suche nach einem Kandidaten durch Vorbedingungen zu belasten.
Spätestens am 18. März muss gewählt werden
SPD-Chef Sigmar Gabriel machte sich für eine Kandidatur Gaucks stark. "Er ist nach wie vor unser Favorit", sagte er im Deutschlandfunk. Gauck war erster Chef der Stasiunterlagen-Behörde und hat auch bei Schwarz-Gelb hohes Ansehen. Der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenpolitiker Wolfgang Kubicki erklärte, auch er halte Gauck unverändert für eine gute Wahl. Eine Zustimmung Merkels zu Gauck könnte aber als Eingeständnis gewertet werden, dass sie vor zwei Jahren mit ihrer Entscheidung für Wulff falsch gelegen hatte.
Sowohl SPD als auch Grüne machten deutlich, dass sie keinen Berufspolitiker – und damit auch kein Kabinettsmitglied – als Kandidat akzeptieren würden. Wulff hatte am Freitag mit sofortiger Wirkung sein Amt aufgegeben. Der 52-Jährige zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um mögliche Vergünstigungen von befreundeten Unternehmern, die sich schon seit Mitte Dezember hinzog.
Bis zur Wahl des neuen Staatsoberhaupts, die spätestens am 18. März erfolgen muss, nimmt Bayerns Ministerpräsident Seehofer als amtierender Präsident des Bundesrats die Aufgaben des Bundespräsidenten wahr. In der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, hat Schwarz-Gelb nur eine knappe absolute Mehrheit von derzeit maximal vier Stimmen beziehungsweise in einem eventuellen dritten Wahlgang eine knappe relative Mehrheit von maximal acht Stimmen.