"Die Toten vom Schwarzwald", 20. Februar, 20.15 Uhr im Zweiten
In der Regel sind Ungereimtheiten berechtigter Anlass Kritik; in diesem Film macht gerade dies den großen Reiz der Geschichte aus. Die Handlung beginnt im klassischen "Mystery"-Stil: Eine Frau will sich mitten im Schwarzwald nur mal kurz hintern Baum hocken und taucht nicht mehr auf. Verstört alarmiert ihre Beifahrerin die Polizei. Der Ex-Gatte der Vermissten, Matthias Auerbach (Heino Fech), arbeitet als Forensiker für das Stuttgarter Landeskriminalamt, ist also Experte fürs Spurensuchen, aber als der örtliche Polizist (Dirk Borchardt) von der kürzlichen Scheidung erfährt, bläst er die Suche ab: Seiner Meinung will Katharina Auerbach dem geschiedenen Mann bloß eins auswischen. Der aber lässt nicht locker, obwohl die offene Feindseligkeit der Einheimischen immer brutalere Züge annimmt. Der Fall wird zunehmend mysteriöser: Als Auerbach im Wald eine Frau verfolgt, die der seinen zum Verwechseln ähnlich sieht, stürzt er in eine Grube und landet auf einer Leiche. Der DNA-Test lässt keinen Zweifel: Es muss Katharina sein. Aber dann wäre sie schon seit zwei Jahren tot.
Vermischung von Mythos und Wahrheit
Es ist eine unglaubliche und gerade deshalb ungemein fesselnde Geschichte, die Thorsten Näter (nach einer Idee von Johannes Betz und Martin Pristl) geschrieben hat. Bei ihrer Umsetzung setzt er natürlich immer wieder auf bewährte Thriller-Momente, aber seine Spannung verdankt der Film in erster Linie seiner Rätselhaftigkeit. Neben Heino Ferch und Nadja Uhl (als örtlicher Lehrerin, die dem Eindringling als einzige zur Seite steht) spielt der Schwarzwald die dritte Hauptrolle; gedreht wurde rund um den Feldberg. Näter hat die urwüchsigen Teile des Schwarzwalds als Hort von Sagen und Legenden wiederentdeckt. Eine dieser Mythen reicht zurück bis zum dreißigjährigen Krieg, als das Dorf der Holltaler dank eines Pakts mit Satan verschont blieb. Zum Ausgleich war jedes überzählige Kind des Teufels; seither gibt es in Holltal keine Zwillinge mehr.
Selbst wenn Näter die Einheimischen als derart finstere Hinterwäldler darstellt, dass die Schwarzwälder ihre Kooperationsbereitschaft im Nachhinein womöglich bereuen werden: Das Spiel mit Schein und Sein sowie die geschickte Vermischung von Mythos und Wahrheit sind enorm reizvoll. Die Aufnahmen im Wald sind das beste Beispiel dafür: Was gerade noch wie ein lauschiges Plätzchen anmutete, kann von einem Moment auf den anderen höchst unheilvoll wirken. Und weil Näter, dem Genre entsprechend, gern auch mit akustischen Effekten arbeitet, lädt sein Film zum wohligen Gruseln ein; Gänsehautmomente inklusive.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).