Gut anderthalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und über 500 Verletzten hat die Duisburger Bevölkerung den in ihren Augen politisch Hauptverantwortlichen abgestraft. In einem Bürgerbegehren stimmten am Sonntag rund 85,5 Prozent der Wähler dafür, dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sein Amt verliert. Er hatte sich stets geweigert, die politische und moralische Verantwortung für das Unglück zu übernehmen und freiwillig zurückzutreten. Dadurch wurde er für viele Bürger zur unerwünschten Person.
Fast 130.000 Menschen stimmen für Sauerlands Abwahl
Beim ersten Abwahlbegehren in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen lag die Wahlbeteiligung mit 41,6 Prozent unerwartet hoch. Ingesamt stimmten 129.833 Bürger für eine Abwahl Sauerlands, das entspricht 85,5 Prozent der Wähler und 35,5 Prozent der Wahlberechtigten - weit mehr als das gesetzlich geforderte Quorum von 25 Prozent. Für Sauerlands Verbleib im Amt gab es 21.557 Stimmen, das sind 5,9 Prozent der Wahlberechtigten in der Revierstadt.
Duisburgs Alt-Oberbürgermeister Josef Krings (SPD) sprach von einem "historischen Ereignis". NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der auch Vorsitzender seiner Partei in Duisburg ist, kündigte bereits für Montag Sondierungsgespräche über einen neuen Oberbürgermeisterkandidaten an. Als nächstmöglichen Termin für Neuwahlen nannte Jäger den 17. Juni, zwei Wochen später könnte eine mögliche Stichwahl stattfinden.
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Die nordrhein-westfälische CDU erklärte, jetzt gehe es vor allem darum, "die Verantwortlichkeiten für die schlimme Tragödie bei der Loveparade bei Polizei, Veranstalter und Stadtverwaltung rechtlich belastbar aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen".
Quittung für Loveparade-Katastrophe
Nach Auffassung von großen Teilen der Bürgerschaft ist Sauerland, der das Amt des Oberbürgermeisters in Duisburg seit 2004 innehat, für die Loveparade-Katastrophe vom 24. Juli 2010 mit verantwortlich. Kritiker werfen ihm vor, er habe die Techno-Party unbedingt nach Duisburg holen wollen, wo sie auf einem abgegrenzten Veranstaltungsgelände niemals hätte genehmigt werden dürfen. Zudem habe er sich unfähig gezeigt, die politische und moralische Verantwortung für das Unglück zu übernehmen, und sich erst nach einem Jahr bei den Opfern entschuldigt.
Der Kommunalpolitiker selbst, dessen Amtszeit 2015 geendet hätte, lehnte einen Rücktritt stets mit der Begründung ab, er habe persönlich keine Fehler bei der Genehmigung der Techno-Party gemacht. Vor dem Bürgerbegehren und dem Abwahlverfahren am Sonntag war im Rat der Stadt im September ein Abwahlantrag gescheitert, weil die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zu Stande kam.
Mit der Wahl konnten die Bewohner erstmals in Nordrhein-Westfalen aufgrund eines Bürgerbegehrens über das Schicksal ihres Stadtoberhauptes abstimmen. Um dies zu ermöglichen, hatte der Düsseldorfer Landtag im vergangenen Jahr die Gemeindeordnung geändert. Eine Bürgerbewegung sammelte fast 80.000 Unterschriften, um die Abstimmung über den ungeliebten Ersten Bürger der Stadt zu ermöglichen.
Bei der Loveparade im Juli 2010 war es zu einer Massenpanik gekommen, in dem Gedränge starben 21 Menschen. Seitdem schieben sich die Stadt Duisburg, der Veranstalter Lopavent und die Polizei gegenseitig die Verantwortung zu. Gegen mehr als ein Dutzend Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Sauerland ist nicht unter ihnen. Der Trauerfeier kurz nach der Katastrophe war Sauerland auf Wunsch der Angehörigen ebenso ferngeblieben wie der Gedenkfeier am ersten Jahrestag des Unglücks.