Flughafenattentäter: Unreif - und ein eiskalter Mörder
Labil und ohne Perspektive ließ er sich von islamistischer Propaganda aufhetzen - und richtete ein Blutbad unter US-Soldaten an. Dafür muss Arid Uka lebenslang hinter Gitter. Doch auch nach dem Urteil bleiben Fragen offen.
10.02.2012
Von Ira Schaible und Matthias Gerhart

Mit gesenktem Kopf, scheinbar unbeteiligt nimmt Arid Uka den Richterspruch auf. Der schmächtige 22-Jährige muss viele Jahre hinter Gitter. Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld, lautet das Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts für den islamistisch aufgehetzten Todesschützen vom Frankfurter Flughafen. Damit ist klar: Auf eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren kann Uka nicht hoffen.

Während der einstündigen Begründung des Urteils blickt der schmale Mann mit dem jungenhaften Gesicht die meiste Zeit vor sich hin. Ein gewohntes Bild aus den elf Verhandlungstagen der letzten fünf Monate. Nur das Wippen eines Fußes verrät die innere Anspannung. Er sei keineswegs regungslos, sondern nur nach außen gefasst, sagt seine Verteidigerin Michaela Roth. Das Verfahren habe ihn sehr belastet.

Schüchtern, höflich, unreif - und zugleich ein eiskalter Mörder, der zwei ihm unbekannte Soldaten mit Kopfschüssen tötet, zwei andere schwer verletzt und einem Fünften ins Gesicht zielt. Der von Fachleuten als überdurchschnittlich intelligent beschriebene Angeklagte bleibt Vielen bis zuletzt ein Rätsel.

Psychiater: Uka ist eine "noch unreife und ängstliche Persönlichkeit" 

Uka sei eine "noch unreife und ängstliche Persönlichkeit" mit geringem Selbstwertgefühl, fasst der Vorsitzende Richter, Thomas Sagebiel, das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens zusammen. Der renommierte Psychiater und Mediziner Norbert Leygraf hatte dem 22-Jährigen während des Prozesses auch Schwierigkeiten attestiert, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

Der nicht vorbestrafte Schulabbrecher habe unter depressiven Verstimmungen gelitten und "im Leben nie eine klare Zielorientierung langfristig gehabt", sagte Leygraf, der unter anderem auch den Kindsmörder Magnus Gäfgen und die Gladbecker Geiselgangster untersucht hat.

Uka habe sich viel mit Ego-Shooter-Computerspielen und Softairwaffen beschäftigt, sagt Sagebiel. Und wenn er nicht spielte, habe er versucht, im Internet Informationen über den Islam zu bekommen, beschreibt der Vorsitzende Richter das Freizeitverhalten des Ex-Gymnasiasten, der bei der Post am Flughafen jobbte und den Eltern seinen Schulabbruch verheimlichte. Die wenigen Kumpel, zu denen auch ein Amerikaner gehörte, und seine frühere Chefin vom "Grünen Halbmond", einer islamischen Hilfsorganisation, beschrieben Uka vor Gericht als hilfsbereit und freundlich.

Woher er die Waffe hatte, sagt Uka bis zum Schluss im Prozess nicht

Spätestens seit Mitte 2010 zog er sich aber immer mehr von seinen alten Schulfreunden zurück und radikalisierte sich zunehmend über das Internet. Seine unausgereifte Persönlichkeit habe ihn besonders anfällig für die manipulative dschihadistische Propaganda gemacht, sagt Sagebiel. Diese Wirkung habe er auch durchaus erkannt, sich ihr aber trotzdem so lange ausgesetzt, bis er den Plan für den Anschlag fasste.

Woher er die Waffe hatte, sagt Uka bis zum Schluss im Prozess nicht. Sein Vater bewahrte allerdings zumindest eine andere halbautomatische Pistole im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung auf. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes wurde er rechtskräftig zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Eltern selbst - keine strenggläubigen Moslems - waren während der Verhandlung nicht im Zuschauerraum erkennbar. Im Prozess machten sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Dafür verfolgte Ukas älterer Bruder den Prozess. Zur Begrüßung lächelten sich die beiden Brüder vor dem Urteil kurz zu.

Zwar hatte Uka gleich zu Prozessbeginn die Tat gestanden und sich von seinen islamistischen Motiven distanziert. Zu einer persönlichen Entschuldigung bei den überlebenden Opfern und ihren vom Leid gezeichneten Angehörigen war er aber nicht fähig.

dpa