Herr Bedford-Strohm, was halten Sie vom bayerischen System der Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber?
Heinrich Bedford-Strohm: Ich wünsche mir sehr, dass der Weg, von den Gemeinschaftsunterkünften weg zu kommen, weitergegangen wird. Schon jetzt wird ein Teil der Asylbewerber in Privatunterkünften untergebracht. Das vermindert die Belastungen der Flüchtlinge. Denn das Aggressionspotenzial steigt naturgemäß durch die Zusammenballung so vieler Menschen unterschiedlicher Kulturen auf engem Raum. Bei einer dezentralen Unterbringung treten solche Aggressionen viel seltener auf. Außerdem akzeptiert die hiesige Bevölkerung einzelne Flüchtlingsfamilien, die in der Nachbarschaft leben, viel eher als eine Aufnahmeeinrichtung mit vielen Menschen.
Was muss sich am dringendsten ändern, um die Behandlung Asylsuchender menschlicher zu machen?
Bedford-Strohm: Am dringendsten ist die Verteilung der Flüchtlinge aus den beiden zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf in verschiedene Regionen Bayerns. Es ist unzumutbar, wenn diese Menschen, die oft Schweres erlebt haben, über viele Monate in ehemaligen Kasernen konzentriert werden und permanent in Wartestellung leben. Ich appelliere dringend an die Kommunen in Bayern, Flüchtlinge aus diesen Erstaufnahmeeinrichtungen aufzunehmen. Dringend nötig ist auch eine freizügigere Aufenthaltsregelung. Dass die Flüchtlinge häufig nicht den Regierungsbezirk verlassen dürfen, ist nicht plausibel. Was in anderen Bundesländern geht, sollte in Bayern auch gehen.
"Gerade Menschen, die misshandelt worden sind,
müssen spüren, dass sie hier
in einem Rechtsstaat aufgenommen werden"
Wenn Menschen um Asyl ersuchen, sind sie oft traumatisiert - wie können Politik, Kirchen und Gesellschaft diesen Menschen helfen?
Bedford-Strohm: Das Wichtigste ist eine Atmosphäre der Achtung und des Respekts im Umgang mit den Flüchtlingen, von ihrer Ankunft bis zur rechtlichen Klärung ihrer Lage und allem, was dann kommt. Gerade Menschen, die von Polizei oder Militär drangsaliert oder misshandelt worden sind, müssen spüren, dass sie hier in einem Rechtsstaat aufgenommen werden, der auf dem Schutz der Menschenwürde gegründet ist. Eine wichtige Möglichkeit, sie das spüren zu lassen, ist die Asylsozialarbeit, die vor allem von Diakonie und Caritas geleistet wird. Deswegen habe ich mich zusammen mit anderen in Kirche und Diakonie in meinen Gesprächen mit der Politik nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die Mittel für diese Arbeit deutlich erhöht werden. Ich hoffe, unsere Bemühungen werden Erfolg haben.