Wenn Tiere mit der Kälte kämpfen, hilft der Mensch
Ob Winterstarre, Aufbruch in südlichere Gefilde oder selbst produzierte Frostschutzmittel - für die extreme Kälte haben die Tiere am Bodensee ganz individuelle Überlebensstrategien. Die sind mal mehr, mal weniger erfolgreich.
10.02.2012
Von Anette Le Riche

Die eisigen Temperaturen der vergangenen Tage machen auch der Tierwelt am Bodensee zu schaffen. "Strenge Kälte ist für wildlebende Tiere eine harte Zeit", sagt Gerhard Kersting, Leiter des Naturschutzzentrums Eriskirch am Bodensee. "Viele Vögel sind rechtzeitig abgehauen, manche können auch kurzfristig noch flüchten." In den vergangenen Tagen habe er Hunderte Vögel wie Rotmilane oder Wacholderdrosseln beobachtet, die von Nordosten nach Südwesten zogen. Sie flögen beispielsweise Richtung Freiburg, Südfrankreich oder Spanien.

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Auch für die Arten, die am Bodensee ausharren, sei nicht so sehr die Kälte problematisch, sondern vielmehr die knappe Nahrung. "Sie entwickeln dann Überlebensstrategien: wenig Bewegung, um wenig Energie zu verbrauchen, Suche nach windgeschützten, sonnigen Bereichen, Flucht in die wärmeren Städte." Das Nahrungsangebot werde knapp, wenn der Uferbereich zufriere. So sei beispielsweise die Schussenmündung im Eriskircher Ried komplett zu, sagt Kersting.

In diesem Fall hilft nach Angaben des Biologen eine artgerechte Fütterung. Den Tieren hilft so etwas sofort: "Ich habe ein schlappes Rotkehlchen an einem Futterhaus gesehen, das danach nicht mehr so schlapp war", erzählt Kersting. Bisher seien in diesem Winter noch kaum Vögel verhungert. "Doch die Kälte wird schon zu Verlusten führen, dann findet man etwa tote Mäusebussarde."

Die Fische im Bodensee leiden im Gegensatz zu den Vögeln nicht: "Selbst wenn oben das Wasser gefroren ist, herrschen unten fünf Grad, weil das Wasser da seine größte spezifische Dichte hat und diese Wasserschichten nach unten sinken", erklärt Rainer Berg von der Fischereiforschungsstelle in Langenargen (Bodenseekreis). "In diese Tiefe ziehen sich die Fische zurück." Auch Fischbestände, die sonst in Ufernähe leben, ziehen laut Berg bei großer Kälte in die Seemitte und dort auf den Grund. "Da halten sie dann regelrecht Winterruhe und stellen die Nahrungsaufnahme fast ein."

Auch durch den Winter können Arten sterben

Eine ganz spezielle Art der Überwinterung haben sich Amphibien wie Frösche zugelegt: Sie graben sich im Uferschlamm ein oder verkriechen sich in Erdhöhlen, wie BUND-Geschäftsführer Schaefer erklärt. "Dann fallen sie in eine gewisse Starre und frieren zum Teil auch mit dem Boden durch." Möglich mache dies ein natürliches Frostschutzmittel in den Zellen, das verhindere, dass die Flüssigkeit im Gewebe gefriert. "Je nachdem, wie lange die Kälte anhält, wachen sie dann im Frühling wieder auf – oder auch nicht", sagt Schaefer. Dies hänge von den Fettpölsterchen ab, welche die Tiere sich vor der Winterruhe zulegen.

Auch Insekten können in Winterstarre an geschützten Stellen überleben: "Auch Käfer bilden Fettreserven." Dabei gelte: Je strenger der Winter, desto weniger der Insekten überleben. "Deshalb freuen sich ja die Bauern über diese Kälte, denn sie bedeutet weniger Ungeziefer im Frühjahr und Sommer." Sorgen macht sich der Wissenschaftler um seltene Arten wie den schwarz-gelben Kammmolch oder den Wiesenknopf-Ameisenbläuling, eine Schmetterlingsart. "Davon gibt es so wenige, dass Ausfälle durch die Kälte schon problematisch werden."

dpa