Sie taucht in den kommenden Tagen wohl häufiger im Dresdner Stadtbild auf: Eine kleine weiße Kunststoffrose. Tausende Exemplare liegen zum Stückpreis von zwei Euro bereit. Die Stadtverwaltung wirbt bei den Bürgern dafür, sich die Blume als sichtbares Symbol für Frieden und Toleranz an die Jacke zu heften. Derzeit bereitet sich Dresden wieder auf das jährliche Kriegsgedenken am 13. Februar vor. Seit der alliierten Bombardierung 1945 gilt die Stadt als eines der Symbole für Tod und Zerstörung.
Wie schon in den Vorjahren, mobilisiert auch die rechtsextreme Szene ihre Anhänger. Tausende Neonazis aus dem In- und Ausland ziehen seit Jahren in der Elbestadt zu sogenannten Trauermärschen für die Bombenopfer auf. Die deutsche Kriegsschuld ignorieren sie natürlich.
Doch die Aufzüge der Rechten - normalerweise ein kleinerer an jedem 13. Februar und ein größerer, bundesweiter am Samstag danach - geraten ins Stocken. Laut sächsischem Verfassungsschutz liegt dieses Jahr bislang nur eine Versammlungsanmeldung von Neonazis für den 13. Februar vor. Die Behörde rechnet mit 1.000 bis 2.000 Teilnehmern, was an den Vorjahren gemessen verhältnismäßig wenig wäre. Lange Zeit setzte Dresden dem Treiben verhältnismäßig wenig entgegen. Die Bilder und Schlagzeilen des Gedenktags bestimmten zumeist die Neonazis. Ihre Gegner von links bis konservativ fanden zunächst keine Basis für einen gemeinsamen Protest.
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In den vergangenen Jahren wurde der Widerstand dann deutlich größer. 2010 rief erstmals ein breites demokratisches Bündnis zu einer Menschenkette gegen rechts auf. Gut 15.000 Menschen kamen. Zugleich blockierten Anhänger des linken Bündnisses "Dresden Nazifrei" den Aufzug von immerhin 6.400 Neonazis. Ähnliches gelang im Jahr darauf. Bei den Rechtsextremen sorgt dies für starken Verdruss. Verfassungsschutz-Sprecher Falk Kämpf sagt, die rechte Szene habe bislang keine Strategie gefunden, ihre Großaufmärsche wieder erfolgreich in die Tat umzusetzen.
Die erfolgreichen Blockaden sorgen dennoch für anhaltenden Streit
Die letztlich erfolgreichen Blockaden sorgen dennoch für anhaltenden Streit. CDU, FDP und die sächsischen Behörden werten die Verhinderung genehmigter Aufmärsche als Straftat. Die Polizei ging 2011 gegen die zu Tausenden angereisten Blockierer vor, es kam zu heftigen Krawallen. Im Nachgang kam sogar heraus, dass die Sicherheitsbehörden im Umfeld der Blockaden über eine Million Handydaten abgefragt hatten, auch von den überwiegend friedlichen Teilnehmern oder unbeteiligten Anwohnern.
Gerechtfertigt wurde dies mit der Verfolgung von Gewalttätern. Wegen seiner rigorosen Methoden musste sich Sachsen den Vorwurf gefallen lassen, Neonazi-Gegner zu kriminalisieren. Die Diskussion um die Blockaden reicht auch bis in die Kirche hinein. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus stellte sich Ende Januar hinter den erneuten Blockadeaufruf des Bündnisses "Dresden Nazifrei".
"Gerade als Christen sind wir aufgefordert, uns dieser menschenverachtenden und menschenfeindlichen Ideologie entgegenzustellen", heißt es in einem in Dresden verbreiteten Aufruf. Unterzeichner sind neben dem sächsischen evangelischen Landesbischof Jochen Bohl auch Joachim Reinelt, Bischof des Bistums Dresden-Meißen, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg- schlesische Oberlausitz, Markus Dröge und die Landesbischöfin der mitteldeutschen Evangelischen Kirche, Ilse Junkermann, sowie die katholischen Bischöfe Gerhard Feige (Bistum Magdeburg) und Wolfgang Ipolt (Bistum Görlitz).
"Ich bin überzeugt, dass wir nicht zu illegalen Handlungen aufrufen"
Landesbischöfin Ilse Junkermann hat Blockaden gegen Neonazi-Aufmärsche als legitimen Protest "absoluter Gewaltfreiheit" bezeichnet. "Ich bin überzeugt, dass wir nicht zu illegalen Handlungen aufrufen", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Damit widersprach sie ihrem sächsischen Amtskollegen, Landesbischof Jochen Bohl, der rund um den Gedenktag am 13. Februar in Dresden zwar ebenfalls zum friedlichen Protest aufruft, aber Blockaden als Form des Widerstandes gegen rechtsextreme Demonstrationen ablehnt.
Trotz ihrer Differenzen stehen sich die Nazi-Gegner gar nicht mehr so unversöhnlich gegenüber. Die negativen Schlagzeilen aus dem vergangenen Jahr erhöhten den Druck auf die sächsische Politik. Auch die Enthüllungen um das in Zwickau untergetauchte rechte Terrortrio haben zu einem Klima beigetragen, in dem erstmals auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ein NPD-Verbot gefordert hat.
Neben der Menschenkette am 13. Februar planen Stadtspitze und Parteien erstmals am 18. Februar eine gemeinsame Kundgebung gegen rechts. Die Vorbereitungen dafür liegen bei der "AG 13. Februar". Deren Moderator, Frank Richter, lehnt die Blockaden zwar ab und spricht von einem "unüberbrückbaren Gegensatz" zum Bündnis "Dresden Nazifrei". Dennoch sehen "wir uns nicht in politischer Gegnerschaft".
Obwohl es bislang keine Neonazi-Anmeldung für den 18. Februar gibt, halten die Initiatoren an sämtlichen Veranstaltungen und Demonstrationen fest. Es gehe auch um Verhinderung kurzfristiger Aufmarschversuche der Rechten, sagt ein Vertreter des Blockade-Bündnis.