Der Freiwilligendienst ist heiß begehrt
Zuerst befürchtete man, es könnte zur Versorgungslücke kommen, weil niemand den Bundesfreiwilligendienst absolvieren wolle. Jetzt sind alle geplanten Stellen bereits besetzt, mehr Geld wird es erst einmal nicht geben. Auch die Stellen bei der Diakonie werden gut nachgefragt. Woran das liegt? Es gibt Indizien, Untersuchungen gibt es jedoch noch nicht.
09.02.2012
Von Maike Freund

Als im Juli 2010 der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst ablöste, fragten sich die zuständigen Träger besorgt: Wird es ausreichend Bewerber für den neune Freiwilligendienst geben? Das Wort Versorgungslücke geisterte durch die Medien. Knapp sieben Monate später ist das Bild ein ganz anderes: Die Nachfrage ist an einigen Stellen so groß, dass Bewerber sogar abgewiesen werden müssen.

Bei der Diakonie war das bisher nicht der Fall. "Die Nachfrage ist nicht größer als die Stellenanzahl", sagt Rainer Hub, Referent für Freiwilliges soziales Engagement und Bundesfreiwilligendienst beim Diakonischen Werk. Das liegt auch an der schrittweisen Aufstockung der Stellen. Etwa 4.400 Stellen sind bei der Diakonie bis heute besetzt. Geplant hatte das Evangelische Hilfswerk für das erste Jahr eigentlich nur 3.300 Stellen für den "Bufa" – den Bundesfreiwilligendienst. Weil die Nachfrage so groß war, wurde aufgestockt. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Stellen bereits besetzt wären – alle Stellen bedeutet: die des ehemaligen Zivildienstes. Das waren zum Schluss rund 7.500 bei der Diakonie. Es bedeutet schlicht: Das vom Bund eingeplante Geld für den Freiwilligendienst ist ausgegeben. Und mehr wird es erst mal nicht geben.

Begehrt – wie eh und je – sind vor allem Plätze in der Kinder- und Jungendarbeit

Engpässe ergeben sich bei der Diakonie aber trotzdem nicht. Denn während beim Zivi klar war, dass der für ein Jahr seinen Dienst leisten würde, kann das beim Freiwilligendienst ganz anders aussehen: Viele absolvieren nur sechs Monate den Dienst, das heißt, mehr Bewerber füllen dieselbe Stellenanzahl aus. Natürlich gibt es aber Bereiche, die noch mehr Freiwillige vertragen könnten, beispielsweise die Altenpflege. Dort gibt es mehr Stellen als Bewerber. "Aber das ist nichts Neues", sagt Hub. "Das sind Probleme, die es auch schon zu Zeiten des Zivildienstes gab." Begehrt – wie eh und je – sind vor allem Plätze in der Kinder- und Jungendarbeit. Auf Platz zwei und drei der Hitliste bei der Diakonie: Behinderten- und Obdachlosenhilfe. Woran liegt es aber, dass die Stellen so heiß begehrt sind? "Darüber gibt es noch keine Untersuchungen, sagt Hub. "Dafür ist es schlicht zu früh." Aber es gebe Indizien.

Zum Beispiel das Alter. Anders als beim Zivildienst ist der Freiwilligendienst für alle Interessierten offen – Frauen und Männer, egal welchen Alters. Und tatsächlich gibt es nicht nur Bewerber um die 20, auch wenn das immer noch die stärkste Gruppe mit rund 60 bis 70 Prozent bei der Diakonie ist. Etwa 20 Prozent der Freiwilligen sind älter als 27 Jahre. Davon sind die meisten zwischen 40 und 50 Jahre alt. "Das hatten wir nicht erwartet", sagt Hub. Ausgegangen war man davon, dass vor allem Menschen im Rentenalter sich noch einmal sozial engagieren wollten. Bei den 40 bis 50 –jährigen dachte man, dass sie mit Beruf und Familie zu sehr eingebunden wären, um noch einen Freiwilligendienst ableisten zu können.

Ein möglicher Grund: Arbeitslosigkeit

Warum also jetzt doch verstärkt diese Gruppe? "Es zeigt sich, dass gerade in den Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist – Sachsen oder das Ruhrgebiet in NRW – Menschen zwischen 40 und 50 Jahren zum Freiwilligenjahr tendieren", sagt Hub. Ein Grund könnte also die Arbeitslosigkeit sein. Ein weiterer möglicher Grund für die starke Nachfrage: "der Jahrgang I.-Effekt". Die Gesetzesänderung und die Umsetzung seien so schnell erfolgt, dass viele jungen Erwachsenen sich so schnell nicht auf eine andere Planung nach der Schule einrichten konnten. "Nächstes Jahr jedoch war für alle ausreichend Zeit, um möglicherweise anders zu planen", sagt Hub. Deshalb sei das kommende Jahr so spannend.

Erst einmal geht man auch bei der Diakonie jedoch davon aus, dass das Interesse am Bundesfreiwilligendienst nicht nachlassen wird. "Mittelfristig ist die Frage, ob man tatsächlich zwei ähnliche Systeme mit dem Bundessfreiwilligendienst und dem freiwilligen sozialen Jahr braucht", sagt Hub. "Wir müssen dem Ganzen etwas mehr Zeit geben."


Maike Freund ist Redakteurin bei evangelisch.de