Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus vorgestellt
Eine Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus nimmt ihre Arbeit auf. Von den vier Experten erhofft sich Bundesinnenminister Friedrich Empfehlungen für eine bessere Sicherheitsarchitektur. Der Opposition gehen deren Befugnisse nicht weit genug.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erwartet Ende dieses Jahres erste Empfehlungen, um die Zusammenarbeit von Bund- und Länderbehörden bei der Aufklärung und Verfolgung rechtsextremer Gewalttaten zu verbessern. Er stellte am Mittwoch in Berlin die "Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus" vor. Das vierköpfige Gremium habe eine "Bündelungs-, Analyse- und Bewertungsfunktion", sagte Friedrich. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland habe "hohe Priorität".

Zuvor hatte das Kabinett die Kommission gebilligt. Der Bund und die Länder haben je zwei Vertreter benannt. Die Opposition begrüßte das Gremium, äußerte sich aber kritisch über dessen tatsächlichen Befugnisse.

Die Kommission hat ihren Sitz und ihre Geschäftsstelle in Berlin. Ihr gehören die früheren Berliner und Hamburger Innensenatoren Erhart Körting (SPD) und Heino Vahldieck (CDU) an sowie der Münchner Strafrechtsexperte Eckhart Müller und der frühere Bundesanwalt am Bundesgerichtshof, Bruno Jost.

Opposition: Befugnisse des Expertengremiums gehen nicht weit genug

Die vier Juristen sollen die Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden bei der Abwehr des Rechtsterrorismus analysieren. Dabei sollen sie Friedrich zufolge auf Erkenntnisse der Untersuchungs-Ausschüsse zurückgreifen können, Experten befragen und die Informationen der Arbeitsgruppe von Polizei und Verfassungsschützern nutzen, die die Innenminister der Länder eingesetzt haben.

Unklar blieb, wie weit die Befugnisse der Kommission reichen, sich eigenständig Informationen zu besorgen. Akten werden ihr in der Regel nicht zur Verfügung gestellt. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, erläuterten Friedrich und der niedersächsische Innenminister Schünemann. Der frühere Innensenator Körting erklärte, er habe dennoch keine Sorge, dass die Kommission die Informationen, die sie brauche, erhalten werde. Die Bundesländer, die zur Aufklärung der Versäumnisse bei Polizei und Verfassungsschutz beitragen können, könnten es sich politisch nicht leisten, Informationen zurückzuhalten, sagte Körting.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, hatte zuvor verlangt, die Kommission müsse sich eigenständig informieren können und dürfe nicht allein auf Berichte der Länderbehörden oder der Untersuchungsausschüsse angewiesen bleiben.

Bund und Länder sollen Neonazi-Mordserie gemeinsam aufklären

Parallel zu der Bund-Länder-Kommission arbeiten der Bundestags-Untersuchungsausschuss in Berlin sowie Untersuchungsausschüsse und Sonderermittler in mehreren Bundesländern an der Aufklärung der Versäumnisse bei der Verfolgung der Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Tschäpe. Ihnen werden neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie die Ermordung einer Polizistin zur Last gelegt. Die drei Terroristen konnten länger als zehn Jahre vom Untergrund aus agieren und sollen dabei von der rechtsextremen Szene und NPD-Mitgliedern unterstützt worden sein. Verfassungsschutz und Polizei kamen ihnen dennoch nicht auf die Spur.

Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Renate Künast, erklärte, es bleibe eine Schande, dass Deutschland nun den größten Skandal der Sicherheitsbehörden aufklären müsse. Der richtige Ort dafür sei ein Untersuchungsausschuss. In der Kommission werde der ehemalige Bundesanwalt Jost für eine hartnäckige Aufklärung sorgen. Jost war von den Grünen benannt worden. Der FDP-Obmann im Bundestags-Untersuchungsausschuss Hartfrid Wolff erklärte, die Länder hätten sich bisher schwergetan, ihre Interessen zurückzustellen, selbst wenn es darum gehe, rechte Verbrechen aufzuklären. Das müsse anders werden. Er erwarte eine vorbehaltlose Zusammenarbeit mit dem Bund, so Wolff.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte unterdessen Bundespräsident Christian Wulff auf, die Gesellschaft zum Kampf gegen den Rassismus aufzurufen. Außerdem müsse der Präsident den guten Ruf der Familien wiederherstellen, deren Angehörige Opfer der rechten Mörder geworden seien, verlangte Kolat im Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe). Wulff will am 23. Februar in Berlin bei einer staatlichen Gedenkveranstaltung für die Opfer sprechen.

epd