Ein Pfarrer steigt im Karneval in die Bütt
Statt Beffchen die Pappnas': Fast so schön wie predigen - der Pfarrer Oliver Ploch liebt es, einen Saal zum Toben zu bringen. In der Fassenacht ist er so zu Hause wie in der Kirche. Und sinnt darüber nach, was Christen und Jecken verbindet.
06.02.2012
Von Ebba Hagenberg-Miliu

Am Sonntagmorgen ist Oliver Ploch ganz der Pfarrer und steht in seiner Bonner Thomas-Kirche auf der Kanzel. Am Sonntagabend in Bacharach trägt er ganz andere Gewänder und schwingt im Elferrat das Szepter des dortigen Karnevalsvereins. Ploch beherrscht den Balanceakt zwischen Predigt und Büttenrede, zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Der Bonner Seelsorger mit Narrenkappe regiert seit fünf Jahren nebenbei die "Fassenacht" im romantischen Rheinstädtchen Bacharach.

Er habe in seiner Heimatstadt Bacharach auch bei diesem Sessionsauftakt "in seiner unnachahmlichen Art mit so manchem schrägen Reim Seitenhiebe verteilt", schreibt die Lokalpresse. Man kennt seinen Ploch. Hat man ihn doch schon als er Theologiestudenten in den Elferrat und dann auf den Präsidentenstuhl gehievt. "Obwohl manche meinten, das geht nicht, der ist noch zu jung und dann auch noch evangelisch", erinnert er sich.

Doch dem angehenden Pfarrer lag es offenbar, Menschen froh und unbeschwert zu machen. "Eigentlich ist genau das ja auch Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums", meint Ploch. Eine jecke Sitzung geschickt zu leiten, sei letztlich nicht sehr viel anders als einen stimmungsvollen Gottesdienst zu feiern. "Auch der Karneval kennt seine Liturgien."

Schwierigkeiten hat es anfangs durchaus gegeben

Und da kann Ploch sich offenbar in seinem kleinen Bacharach austoben. Hier wolle, anders als im professionellen Karneval, jeder Programmpunkt mit eigenen Kräften gestaltet werden, von der Garde über den Vortrag bis zum Bühnenbild, erzählt er und stöhnt: "Das ist eine große logistische und kreative Leistung jedes Jahr."

Ohne den Urlaub in den entscheidenden Karnevalstagen, den er sich als Seelsorger von seinen Bonner "Schäfchen" nimmt, geht das nicht. Immerhin werde er in Bacharach von seinen Vereinskollegen enorm entlastet: "Mit der Vereinsführung habe ich dort nichts zu tun", sagt der 43-Jährige erleichtert.

Schwierigkeiten habe es anfangs durchaus gegeben, räumt Ploch ein. Als er in einem Nachbarort von Bacharach Vikar wurde, drängte ihn sein Mentor, das Jeckenamt aufzugeben. Die Leute könnten es nicht verstehen, wenn der Vikar in der Woche eine schwierige Beerdigung gestalte und dann am Wochenende auf der Bühne tanze, lautete das Argument. Das habe er damals sofort, aber schweren Herzens eingesehen, sagt Ploch. "Jedoch seit fünf Jahren mache ich es wieder." Bonn sei ja hundert Kilometer von seiner Jeckenhochburg entfernt.

Sein Beruf als Seelsorger wirke sich durchaus auf die Narren aus

Sein Beruf als Seelsorger wirke sich durchaus auf die Närrinnen und Narren aus. Das Motto "Allen wohl und niemand weh" sei im Karneval oft schwer durchzusetzen: "Als Pfarrer kann und will ich nicht verantworten, dass auf Kosten von Minderheiten oder Einzelpersonen kränkende Aussagen gemacht werden." Da müsse er ab und an mal in Reden eingreifen und um Verständnis werben, vor allem bei Jugendlichen.

"Wer das Leben für eine Narrheit hält, erlebt manch schöne Stunde. Doch wer sie ernst nimmt, diese Welt, der geht an ihr zugrunde." Diesen Trinkspruch schätzt Ploch sehr. Auch Christen seien letztlich Narren: "Sie könnten befreit leben, wenn sie glauben, was gepredigt wird." Natürlich gebe es viel oberflächliche Fröhlichkeit im Karneval. Aber für ihn habe die Session auch einen tieferen Sinn, nämlich Gemeinschaft und Lebensfreude: "Es gibt nichts Schöneres, als einen Saal zum Kochen zu bringen, und wenn man gut vorbereitet ist, dann noch einen draufzusetzen. Das ist fast so schön wie predigen - aber nur fast."

epd