Nah am Feuer: Der Senegal ist vor den Wahlen in Aufruhr
Abdoulaye Wade, 86, will Präsident des Senegal bleiben, auch wenn die Verfassung eigentlich keine dritte Amtszeit erlaubt. Doch der Unmut wächst. "Der Alte", wie Wade genannt wird, spaltet das Land. Fünf Menschen starben bereits.
06.02.2012
Von Martina Zimmermann

Täglich wiederholen sich die Szenen: Zumeist junge Demonstranten errichten Barrikaden, zünden Autoreifen an, stürmen staatliche Gebäude in der Hauptstadt Dakar. Die Polizei geht mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Protestierenden vor. "Dakar ist nahe am Feuer", sagt der Fernsehjournalist Saer Insa Diop: "Weitere gewalttätige Auseinandersetzungen sind zu erwarten." Vor der Präsidentenwahl am 26. Februar verschlechtert sich das Klima von Tag zu Tag.

Es brodelt nicht nur in der Hauptstadt und ihren Vororten, sondern auch in Podor im Norden und im Landesinnern. Es ist die Empörung über den Verfassungsrat, der die erneute Kandidatur des 86-jährigen Präsidenten Abdoulaye Wade nach zwei Amtszeiten als rechtmäßig zuließ, aber die Bewerbung des Sängers Youssou N'Dour und zweier anderer Kandidaten abwies.

"Unser Präsident hat den Richtern Häuser gebaut und Autos geschenkt"

Wade wurde 2000 demokratisch gewählt, damals noch für sieben Jahre. Nach seiner ersten Amtszeit genoss er so viel Sympathie, dass er 2007 wiedergewählt wurde. Seither häufen sich Machtmissbrauch und Korruption. Stromausfälle dauern täglich viele Stunden, Lebensmittel werden immer teurer. Aber am meisten werfen die Senegalesen ihrem Präsidenten vor, sich im hohen Alter an die Macht zu klammern, obwohl die Verfassung nur zwei Mandate erlaubt. Die Richter im Verfassungsrat befanden, dass die Regelung von 2001 nicht rückwirkend gelte, da Wade damals schon im Amt war.

"Unser Präsident hat den Richtern Häuser gebaut und Autos geschenkt", schimpft der Rentner Adama Sarr: Seine Erklärung, warum der Verfassungsrat im Sinne des Präsidenten entschied. Wade wird in der Landessprache Wolof "gorgui" genannt, "der Alte". Der Taxifahrer Ibrahim Sarr glaubt, dass er alle Schlupflöcher nutzen und so lange im Amt bleiben will, bis er seinen Sohn Karim zum Nachfolger aufgebaut hat: "Aber wir sind keine Monarchie!"

Wade bezeichnet die Unruhen im Land lediglich als "Brise"

Vor den Lebensmittelgeschäften und Cafés, in Sammeltaxis und Universitäten, in den Autowerkstätten am Straßenrand: Überall wird heftig diskutiert. Vielerorts läuft ein Radio oder ein Fernseher, junge Leute hören auch per Handy die neuesten Nachrichten. Ab und zu meldet sich auch eine Stimme für Wade: "Er hat gute Arbeit geleistet", sagt die Marktfrau Awa Ndiaye im Fischerhafen M'bour. Drei junge Mechaniker antworten im Chor: "Wade soll abtreten!"

Die Opposition ruft weiter zum Widerstand auf, zu neuen Demonstrationen und zu Gebeten für die Getöteten. Dass Präsident Wade die Unruhen als "Brise" bezeichnete, macht seine Gegner noch wütender. Wegen der fünf Toten fordert das "M23" genannte Oppositionsbündnis seinen Rücktritt.

"Ob der Herausforderer so gut regiert wie er singt?"

Der Sänger Youssou N Dour hat nach aktuellem Stand keine Chance, doch noch ins Rennen um das höchste Staatsamt zu gehen. Ohne ihn stehen nun 14 Namen auf dem Stimmzettel. Aber der Popstar schaffte es, dass sich die Welt für die Wahl im Senegal mit seinen zwölf Millionen Einwohnern interessiert. Der Künstler appellierte an die Staatengemeinschaft, Präsident Wade von einer dritten Amtszeit abzuhalten. Als Märtyrer, der von der Wahl ausgeschlossen wurde, hat N'Dour nun womöglich mehr politische Statur, als wenn er zugelassen worden wäre. Trotz seiner Beliebtheit blieben viele Senegalesen skeptisch. "Ob er so gut regiert wie er singt?" fragt Taxifahrer Sarr.

Indes geht die Polizei rigoros gegen Demonstranten vor, von manchen fehlt jede Spur. Oppositionsführer werden verhaftet, manche wieder freigelassen. Journalisten beklagen schwierige Arbeitsbedingungen, ein Reporter wurde von Polizisten zusammengeschlagen. Der oberste Führer der Mouriden, einer bedeutenden muslimischen Bruderschaft, mahnt zur Wahrung des Friedens.

"Wir sind das Land der Teranga, der Gastfreundschaft!" sagt auch die 25-jährige Putzfrau Aïda Tall im Badeort Saly besorgt: "Wir brauchen die Arbeitsplätze im Tourismus." Die deutsche und die französische Botschaft fordern ihre Landsleute auf, Menschenmengen zu meiden und am Swimmingpool zu bleiben, wo Urlaubern keine Gefahr droht.

epd