Niebel und Bischöfe prangern Genitalverstümmelung an
An diesem Montag ist Internationaler Aktionstag gegen Genitalverstümmelung. Schätzungen zufolge sind rund 140 Millionen Mädchen und Frauen weltweit an ihren Schamlippen verletzt, vor allem in Afrika. Frauenrechtsorganisationen sowie deutsche Politiker und Bischöfe sind für mehr Engagement gegen die Körperverletzung.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat dazu aufgerufen, Genitalverstümmelungen bei Frauen als Menschenrechtsverletzungen weltweit zu ächten. Genitalverstümmelungen seien grausam und nicht durch den Verweis auf Traditionen zu rechtfertigen, erklärte Niebel. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wende sich nachdrücklich gegen diese Praxis, sagte der Minister anlässlich des Internationalen Aktionstags gegen weibliche Genitalverstümmelung der Vereinten Nationen (UN) an diesem Montag.

Der FDP-Politiker kündigte an, er wolle sich dafür einsetzen, dass Genitalverstümmelung als eigener Straftatbestand ins deutsche Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Er bezog sich damit auf einen entsprechenden Antrag des Bundesrats. Die Tat solle zudem auch dann nach deutschem Recht verfolgt werden, wenn sie im Ausland begangen werde: "Wir haben es mit einem Bereich zu tun, wo wir eine sehr klare und deutliche Gesetzessprache brauchen", unterstrich Niebel.

Auch die bayerische Sozialministerin Christine Harderthauer (CSU) hat einen eigenen Straftatbestand für Genitalverstümmelung an Frauen gefordert. Die Beschneidung von Mädchen und Frauen gehöre zu den "brutalsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt", betonte die Ministerin. Deshalb reiche es bei weitem nicht aus, dass diese Fälle in Deutschland als gefährliche Körperverletzung bestraft werden könnten. Haderthauer sagte, ein eigener Straftatbestand Genitalverstümmelung, wie es ihn seit kurzem in der Schweiz gebe, sei ein klares und unmissverständliches Signal an die Täter. Traditionen und Gebräuche, die in menschenverachtender Weise gegen das elementare Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoßen, seien unvereinbar mit den Grundwerten.

Katholische Bischöfe: Keine religiöse Begründung

Die katholischen deutschen Bischöfe forderten ebenfalls ein stärkeres Engagement "im Kampf gegen dieses unsägliche Leid", so der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick. Vor allem in afrikanischen Ländern gehe es um Aufklärung im Zusammenspiel von Politik, Zivilgesellschaft und Religion. Die weibliche Genitalverstümmelung sei nicht religiös begründet, sagte Schick, "auch wenn viele Muslime in Afrika dies meinen."

Verbreitung der Genitalverstümmelung in Afrika. Grafik: epd-bild

Nach Angaben der Stiftung Weltbevölkerung werden jedes Jahr rund drei Millionen Mädchen Opfer des grausamen Rituals, bei dem ihnen mindestens die Klitoris weggeschnitten wird, häufig zusätzlich aber auch die kleinen Schamlippen entfernt oder die äußeren Schamlippen zerstört und zusammengenäht werden.

Rund 140 Millionen Frauen sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation von der Beschneidung betroffen. Jedes Jahr trifft es drei Millionen Mädchen. In Deutschland sind schätzungsweise 5.000 Mädchen davon bedroht. Bist zu 30.000 Frauen sind bereits verstümmelt.

Die Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr, sagte, zwar gelte die Genitalverstümmelung seit 1993 als Menschenrechtsverletzung, doch reichten die Bestimmungen in den meisten Ländern nicht aus, die tief verwurzelte Tradition zu bekämpfen.

Grüne fordern bis zu zehn Jahre Gefängnisstrafe

Die Menschenrechtsorganisation Terre de Femmes machte darauf aufmerksam, dass mehrere tausend Mädchen aus Einwandererfamilien der Gefahr ausgesetzt seien, in Deutschland oder bei einem Heimataufenthalt beschnitten zu werden. Das bundesweite Netzwerk zur Überwindung der Genitalverstümmelung "Integra" forderte einen nationalen Aktionsplan. Es kritisierte, dass das Entwicklungsministerium sich aus einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer Präventionsstrategie zurückgezogen habe. Die Arbeit müsse wieder aufgenommen werden, forderte "Integra".

Messer, Klingen, Fetische, Amulette und "Medikamente", die in Kenia zur Genitalbeschneidung junger Mädchen verwendet werden. Foto: epd-bild/ Friedrich Stark

Genitalverstümmelung ist in Deutschland bereits als Körperverletzung strafbar. Unklar ist aber die Schwere der Straftat und damit die Bestrafung. Die Mindeststrafe liegt bei sechs Monaten Freiheitsentzug. Es gibt bisher praktisch keine Rechtsprechung dazu, da die Fälle nicht bekanntwerden.

Im Bundestag will die Grünen-Fraktion am kommenden Donnerstag einen Antrag einbringen, um Genitalverstümmelung als Verbrechen der schweren Körperverletzungen ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Sie würde dann mit einem bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Dies soll nach dem Willen der Grünen auch gelten, wenn in Deutschland lebende Mädchen zur Beschneidung in ihre Heimatländer geschickt werden. Der Bundesrats-Antrag geht den Grünen nicht weit genug.

Die SPD-Politikerin Karin Roth forderte eine europäische Strategie zum Schutz von Mädchen, die in der EU leben. Aber auch in den afrikanischen und arabischen Ländern selbst müsse die Tradition bekämpft werden: "Nur mit einer weltweiten Ächtung, bei der wir alle Staaten mit ins Boot holen, können wir Frauen und Mädchen nachhaltig vor Verstümmelungen schützen."

epd