Wie vertragen sich Krieg und Segen?
Darf ein Verteidigungsminister in der Kirche "Helden" segnen und Feinde verunglimpfen? Mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr wächst unter Soldaten das Bedürfnis nach weihevollen Militärfeiern in Kirchen. Dagegen sollten sich die Kirchen abgrenzen, ergab eine Tagung vergangene Woche in Mainz.
03.02.2012
Von Burkhard Weitz

"Die Kirche muss aufpassen, dass sie sich nicht instrumentalisieren lässt für Kriegspropaganda", kommentierte im April 2010 ein anonymer User auf evangelisch.de. Damals hatte evangelisch.de von der Trauerfeier für drei in Afghanistan getötete Soldaten in der Lambertikirche im niedersächsischen Selsingen berichtet. Auf dieser kirchlichen Trauerfeier sprach der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg unter anderem die Segensformel "Ruhet in Frieden, Soldaten" nachdem er die Toten zu Helden erklärt hatte. Ein Politiker, der nach der Predigt "Helden" segnet – lässt sich das mit der Botschaft Jesu in Einklang bringen?

"Die Trauernden zu trösten, um Gottes Beistand für die Hinterbliebenen zu bitten, den Gefallenen eine pietätvolle Beisetzung zu gestalten – das ist ihr Amt", schrieb damals der anonyme Kommentator auf zivil.de über evangelische Prediger: "Diesen Bundeswehreinsatz zu rechtfertigen oder gar zu verklären – das ist nicht ihr Amt. Aber die Politiker werden, da längst ein besonders blutiger Sommer vorausgesagt ist, jetzt nichts unversucht lassen, ihr Legitimationsdefizit mit Gottesdienstauftritten aufzubessern – das hat alles Vorgeschichte! Da fragt es sich dann, was die Kirche, wo sie Hausherrin ist, zulässt und was nicht."

Segen vor einem Bild mit Bundeswehr-Flugzeugen?

Was darf dürfen Pfarrer und Kirchengemeinden in ihren Räumen zulassen, was nicht? Nicht erst seit dieser für Deutschland ungewöhnlichen Trauerfeier im April 2010 sind öffentliche Inszenierungen der Bundeswehr in Kirchen und Gottesdiensten ins Gerede gekommen – so jüngst auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Villigst vorige Woche in den Räumen der Akademie des Bistums Mainz.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, spricht den Segen beim evangelischen ZDF-Fernsehgottesdienst am 15. Mai 2011 in Köln-Wahn, im Bild hinter ihm Transall-Transportflugzeuge der Bundeswehr. Foto: epd-bild/Jörn Neumann

Die Fragen, denen man sich stellte: Welche Vorkehrungen müssen Kirchengemeinden treffen, damit ein Verteidigungsminister nicht in ihren Gottesdiensträumen Helden segnet? Wie kann der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland schon im Vorfeld verhindern, dass er während eines Fernsehgottesdienstes im Flugzeughangar von Köln-Wahn seine Hände zum Segen ausbreitet, während hinter ihm ein Transall-Transportflugzeug der Bundeswehr im Bild zu sehen ist? Und wo liegt die Grenze zwischen dem, was noch tolerabel ist, und dem was nicht mehr geht – sollen Protestanten etwa Kirchenkonzerte mit uniformierten Soldaten der Bundeswehr zulassen?

Zumindest bei Trauerfeiern, so ergab die Tagung, können Geistliche wenigstens auf eines achten: Kirchliche und staatliche Feier gehören zeitlich und räumlich getrennt. In der Kirche werden die Toten ausgesegnet und die Angehörigen und Bekannten getröstet. Die Feierlichkeiten der Bundeswehr gehören vor oder hinter die kirchliche Trauerfeier und sollten außerhalb der kirchlichen Räume stattfinden.

Kritik an sakralen Selbstinszenierungen der Bundeswehr

Wer genauer hinsieht, entdeckt inzwischen erstaunlich viele Grenzüberschreitungen, die weder zum Selbstverständnis der evangelischen Kirche im Nachkriegsdeutschland passen. Noch passen sie zum Konzept der Inneren Führung, wie es etwa General Wolf von Baudissin in den 50er Jahren für die Bundeswehr entwickelte.

Darauf machte bei der Tagung in Mainz Prof. Dr. Angelika Dörfler-Dierken aufmerksam, wissenschaftliche Direktorin am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg. Der Krieg ordne die Affekte, sagte sie. Bei öffentlichen Trauerfeiern stünden die deutschen Soldaten im Blickpunkt des Empfindens, die gegnerische Gruppe sei von der Trauer ausgeschlossen. Von einer "hinterhältigen Bande" habe im April 2010 zu Guttenberg in der Lambertikirche zu Selsingen gesprochen und den militärischen Gegner verbal aus dem Menschengeschlecht ausgeschlossen.

Auch Albert Fuchs, ein friedensbewegter emeritierter Professor für Kognitions- und Sozialpsychologie, der sich bei Pax-Christi engagiert, kritisierte sakrale Selbstinszenierungen der Bundeswehr. Das Ehrenmal für die Gefallenen der Bundeswehr auf dem Gelände des Bendlerblocks, Berlin, spiele mit religiösen Assoziationen (wie einer hervorstehenden Bodenplatte, die an einen Altar erinnere) sowie mit religiösen Überhöhungen. Ein goldenes Spruchband mit den Worten "Frieden, Recht und Freiheit" unter einem Oberlicht stelle eine Art Transzendenzbezug her.

Gerade Soldaten reagieren sensibel

Zu der Veranstaltung in den Räumen der Mainzer Akademie kamen viele Militärpfarrer, aber nur ein Soldat: Matthias Rogg, Direktor des Militärischen Museums in Dresden. Dabei reagieren gerade Soldaten besonders sensibel, wenn die religiöse Überhöhung militärischer Feiern kritisiert wird. Schon der Kommentar auf evangelisch.de hatte damals für heftigen Widerspruch gesorgt.

So fragte ein anderer User gereizt, möglicherweise selbst ein Soldat: "Was wollen Sie denn? Eine Kirche, die es zulässt, dass Terroristen und gemeine Mörder an ihrem Grabe verständnisvoll gewürdigt werden (...), sich aber gleichzeitig weigert, bei gefallenen Soldaten deren Leben, die für die Gemeinschaft geleisteten Dienste und deren gewaltsamen Tod würdigend und positiv zur Sprache zu bringen, und dieses gar noch als Kriegspropaganda, Rechtfertigung oder Verklärung bezeichnet?" Und weiter: "Als Soldat würde ich es rechtzeitig zu verhindern wissen, dass ein Geistlicher, der so denkt, an meinem Grabe stünde."


Burkhard Weitz ist Theologe, Religionswissenschaftler und Journalist. Er arbeitet als Redakteur bei Chrismon und ist Portalleiter von zivil.de.