Deutsche Atomkraft für das Ausland?
Im Februar entscheidet die Bundesregierung, ob sie Brasilien mit einer Hermesbürgschaft beim Ausbau seiner Atomkraftwerk-Großanlage unterstützt - trotz eigenem Atomausstieg. Inzwischen fragen auch andere Länder nach deutscher Atomkraft-Hilfe.
02.02.2012
Von Miriam Bunjes

Ohne deutsche Hilfe wird es den Atomreaktor Angra 3 im brasilianischen Angra dos Reis zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo nicht geben, ist sich Heffa Schücking von der Umweltorganisation Urgewald sicher. Tatsächlich wartet der französisch-deutsche Atomenergie Konzern Areva NP auf die 2010 versprochene Hermes-Bürgschaft der Bundesregierung, bevor er an dem seit 1975 geplanten Reaktor weiterbaut. Hermes-Bürgschaften sind Exportkredit-Garantien des Staates an deutsche Unternehmen, die sie vor der Zahlungsunfähigkeit lokaler Abnehmer in Schwellen- und Entwicklungsländern absichern.

Über die Bürgschaft für das brasilianische AKW wird in diesem Monat endgültig entschieden. Der Verein Urgewald kündigte bereits breiten Protest an, an dem sich mehrere Verbände beteiligen wollen. "Angra ist eine tödliche Bedrohung, die die Mehrheit der Bevölkerung ablehnt", sagt Schücking. 200.000 Postkarten an die Kanzlerin und Bundestagsabgeordnete der Regierungs-Koalition wurden schon verschickt. Die Botschaft: "Das ist doch kein Atomausstieg!"

Die erste Zusage erfolgte vor Fukushima

Urgewald hält Angra 3 für eine "tickende Zeitbombe": "Es ist noch gefährlicher, als AKWs sowieso sind", sagt Schücking. Angra an der Atlantikküste sei ein Erdrutsch-Gebiet. "Das macht auch die Lagerung von strahlendem Müll gefährlich." Die Technik des geplanten Blockes sei aus den 70er Jahren und nach deutschen Sicherheitsstandards nicht genehmigungsfähig. "Es gibt auch nur eine einzige Straße", sagt Schücking. "Kommt es zum GAU, ist die möglicherweise unbefahrbar und es kann nicht evakuiert werden."

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Grundsätzlich hat Deutschland die Hermes-Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro für Angra 3 schon 2010 zugesagt - vor dem Fukushima-GAU im März 2011. Die Zusage wurde aber im August 2011 erneuert. Vor dem endgültigen Vertragsabschluss soll allerdings in einem weiteren Gutachten geprüft werden, ob das geplante AKW auch nach den Erfahrungen von Fukushima sicher genug ist, teilte das Bundeswirtschaftsministerium im Sommer mit. Zudem soll Brasilien eine zusätzliche Staatsgarantie für die Finanzierung übernehmen und den Bau überwachen.

An der Objektivität des noch nicht vorliegenden Gutachtens zweifeln Oppositionspolitiker und Verbände jedoch. Denn es soll nach ihren Informationen erneut durch das Institut ISTec erstellt werden. Die Tochter der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit hatte 2010 ein positives Gutachten für den Hermes-Antrag erstellt. Atomexperten bescheinigten damals der Expertise systematische Mängel.

"Ernüchtende Stimmung" im Ausschuss

"Das lässt ein Gefälligkeitsgutachten befürchten", sagt Sven-Christian Kindler, der für die Grünen im Haushaltssauschuss sitzt. Dieser wird bei Bürgschaften über einer Milliarde hinzugezogen und kann Sperrvermerke erwirken - und damit eine neue Debatte erzwingen. Die Stimmung im Ausschuss zum Thema beschreibt Kindler jedoch als "sehr ernüchternd".

Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP, die im Ausschuss die Mehrheit haben, hätten bisher die Haltung, Brasilien solle selbst entscheiden, ob es Atomenergie im Land haben will. "Deutschland kann nicht eine tödliche Technologie im Ausland fördern, die es für sich selbst abgelehnt hat", findet er. "Das Projekt ist unverantwortlich, aber der Atomlobbyismus in Union und FDP soll im Ausland offenbar weitergehen."

Brasilien ist nicht das einzige Land, das sich deutsche Bürgschaften für AKWs wünscht. Im Hermes-Ausschuss der Bundesregierung liegen Anträge für Projekte in China, Finnland, England und Indien, ergab eine schriftliche Frage Kindlers an die Bundesregierung. "Der indische Standort Jaitapur ist Erdbebengebiet", sagt Heffa Schücking. "Sagt man Brasilien Ja, kann man den anderen nicht Nein sagen", fürchtet sie. "Angra ist eine Grundsatzentscheidung."

epd