Musikindustrie scheitert vor dem Verfassungsgericht
Dürfen Artikel im Netz auf Webseiten verlinken, die möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen? Das Bundesverfassungsgericht hat einen Streit zwischen Musikindustrie und "heise online" um einen Link zu Anti-Kopierschutz-Software für beendet erklärt.

Der Heise-Verlag hat sich im jahrelangen Streit mit der Musikindustrie um die Verlinkung auf einen Anbieter von Software zum Knacken von Kopierschutz vor dem Bundesverfassungsgericht endgültig durchgesetzt. Streitpunkt war die Frage, ob das Branchenportal "heise online" innerhalb seiner Berichterstattung auf Webseiten verlinken darf, die Programme zum Knacken von kopiergeschützten Medien anbieten. Die Musikindustrie hatte dies als indirekte Aufforderung zum illegalen Handeln interpretiert. Nun hat das Bundesverfassungsgericht den Streit für beendet erklärt. Damit bleibt die Entscheidung gültig, dass solche Verlinkungen zulässig sind - im Sinne der Meinungs- und Informationsfreiheit.

Die Beschwerde der Musikindustrie gegen dieses Urteil wies das Bundesverfassungsgericht nun endgültig ab, die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Der Bundesverband der Musikindustrie war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Verlinkung "wesentliches Merkmal des Online-Journalismus"

Der Heise-Verlag wertet das endgültige Urteil als wichtigen Schritt für mehr Rechtssicherheit. Aus Sicht des Verlages ist die Verlinkung auf weitere Internet-Angebote ein wesentliches Merkmal des Online-Journalismus. Streitpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung war ein Artikel über den Softwarehersteller Slysoft, dessen Programm "AnyDVD" mehrere Kopierschutzverfahren von DVDs aushebelt.

Slysoft hatte damals seinen Firmensitz nach Antigua verlegt. Zum Zeitpunkt des fraglichen Berichtes auf "heise online" im Jahr 2005 erregten sich die Gemüter in der Online-Branche über verschlüsselte Musik-CDs und -DVDs, die zum Teil nur noch bedingt auf verschiedenen Geräten abspielbar waren. Viele Software-Hersteller boten Produkte an, die den Kopierschutz der als "Un-CD" deklarierten Silberscheiben umgehen sollten. In Deutschland und in vielen anderen Ländern war es allerdings inzwischen verboten, solchen Kopierschutz auszuhebeln, der Besitz entsprechender Software selbst allerdings nicht.

Schutz der Meinungsfreiheit

Die Kläger, unter anderem BMG, Edel, EMI, Sony, Universal und Warner, werteten die Berichterstattung bei "heise online" als Anleitung zum Raubkopieren, da auch auf das Angebot von Slysoft verlinkte wurde. Der Heise-Verlag sieht dagegen in der Verlinkung ein besonderes Qualitätsmerkmal von Online-Medien, die damit ihren Lesern auch weitergehende Informationen anbieten können. Zudem habe jeder Internet-Nutzer das Angebot von Slysoft auch mit Hilfe einer Suchmaschine ansteuern können.

Dem schloss sich das Bundesverfassungsgericht an. Die Linksetzung als solche habe "den Eingriff in Urheberrechte nicht erheblich" vertieft, "weil die Seite des Softwareherstellers auch über eine Suchmaschine problemlos gefunden werden könne", heißt es in der Begründung. Auch sei ersichtlich, dass sich der Linksetzer den verlinkten Inhalt nicht zu eigen gemacht habe.

Bereits im Oktober 2010 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) nach mehreren erwirkten Verfügungen zwischen den Grundrechten auf Eigentumsschutz und der Pressefreiheit abgewogen und die Setzung von Links schließlich für zulässig erklärt. Das Gericht argumentierte ebenfalls, dass es sich dabei nicht um eine "technische Unterstützungsleistung" für die Angebote, sondern um "Belege und ergänzende Angaben" ähnlich wie bei Fußnoten handele. Deshalb stünden Links in Online-Medien unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Auch wenn die Links auf "unzweifelhaft rechtswidrige Äußerungen" verwiesen, sei ein Informationsinteresse gegeben.

dpa