Hollywood in Hannover: "Die zehn Gebote" als Pop-Oratorium
Insgesamt 3.000 Sänger trafen am Wochenende in Hannovers TUI-Arena bei zwei Aufführungen auf etwa 13.000 Zuschauer. Das Pop-Oratorium "Die zehn Gebote" erzählt die biblische Geschichte in musikalischen Superlativen.
30.01.2012
Von Charlotte Morgenthal und Thomas Paterjey

Das rockige Solo der E-Gitarre wird untermalt von der sanften Musik der Violinen. Dann setzt mit Stimmgewalt ein Chor aus 1.500 Stimmen ein und singt das erste Lied. Der Klang lässt die TUI-Arena in Hannover erbeben. Bei der Aufführung des Pop-Oratoriums "Die zehn Gebote", mit der das "Jahr der Kirchenmusik" in der hannoverschen Landeskirche am Sonntag offiziell eröffnet wurde, trafen musikalische Welten aufeinander. Produzent und Komponist Dieter Falk hat Gospel mit Pop und klassischer Musik bunt gemischt.

In zwei Stunden wird die Geschichte des Volkes Israel von der Berufung des Mose über den Auszug aus Ägypten bis zum Empfang der Gebote am Berg Sinai erzählt. Das Stück mit 19 Songs thematisiert auch die Liebesgeschichte von Mose und seiner Frau Ziporah. Die beiden Solistenrollen werden von Michael Eisenburger und der Pop-Sängerin Bahar Kizil von der ehemaligen Gruppe "Monrose" besetzt.

Moses im Lichtkegel, Otto Sander als Gott

Trotz des schlichten Bühnenbilds sparen Musik und Text aber nicht an Show-Effekten. Als die Stimme des Schauspielers Otto Sander als Gott Moses von oben in einen Lichtkegel taucht, erinnert das zunächst an eine Hollywood-Verfilmung. Die DVD des 2010 in der Dortmunder Westfalenhalle uraufgeführten Oratoriums sei in den USA bereits auf großes Interesse gestoßen, erzählt Falk.

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Kizils Gesang verwandelt dabei das klassische Oratorium in eine Art Pop-Konzert. Als sie dem zweifelnden Mose singend Mut macht: "Gott steht zu Dir, wenn jeder dich verlässt", schwenkt der Chor mit Leuchtstäben und viele der rund 7.000 Zuschauer zücken ein Feuerzeug. Auch die Teilung des Meeres, die Moses mit seinem Stab erwirkt, beeindruckt. Dabei ist das nur mit reflektierendem Schweinwerferlicht auf den weißen Hemden des Riesenchores verdeutlicht.

Für das Projekt konnten sich Mitglieder aus verschiedenen Chören in der Landeskirche anmelden, die zu den Initiatoren gehört. Die Organisatoren hatten ursprünglich mit rund 1.000 Sängern gerechnet. "Offensichtlich haben wir damit den Nerv der Leute getroffen", erzählt Falk begeistert. Der erfolgreiche Musikproduzent spricht von einem riesigen Mitsingspektakel. Allein an diesem Wochenende sangen rund 3.000 Chorbegeisterte in zwei Aufführungen.

Drei Dirigenten per Funk miteinander verbunden

Im Publikum sitzen viele Familienangehörige der Sängerinnen und Sänger. Dazu gehört auch der 17-jährige Jan Humdt, dessen Mutter im Chor dabei ist: "Sonst wäre ich wohl nicht gekommen", meint er: "Aber es gefällt mir jetzt doch ganz gut." Das sieht die 32-jährige Physiotherapeutin Maren Schaller ganz ähnlich: "Ich bin keine Christin, aber ein begeisterter Musicalfan und komme hier voll auf meine Kosten."

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Der Chor, der wie eine Wand auf den Rängen hinter der Bühne steht, klingt überwältigend. Das war auch dem 52-jährigen Produzenten Falk wichtig, der sein erstes Chorstück mit 14 Jahren komponierte. "Der Chor soll prominent dargestellt sein." Die Songs der 1.500 Sänger verdeutlichen die Handlung wohl am besten. Beim Lied des Volkes Israel: "Endlos scheint das Wüstenmeer, so weit, so heiß, so leer", wird selbst dem Zuschauer die Kehle trocken. Gesteuert werden alle Musiker von insgesamt drei Dirigenten, die über Funk miteinander verbunden sind.

Auch Falks 15-jähriger Sohn Paul steht auf der Bühne. Gemeinsam mit einer weiteren Darstellerin führt er als "Erzähler" durch die Geschichte, die durchaus brutal sein kann. Dies wird personifiziert in dem Bösewicht im schillernden Leopardenkostüm, dem ägyptischen Pharao. "Es ist nicht leicht ein Gott zu sein, alles was man prophezeit, tritt ein", klagt der Herrscher sein Leid.

Die Botschaft am Schluss: "Liebe ist das Gebot"

Der pensionierte Braunschweiger Pfarrer Gunther Kalb vermisst mehr männliche Stimmen im Chor: "Es sind hier ja doch viele Frauen. Das sollten wir in Braunschweig anders machen." In Braunschweig ist das Pop-Oratorium am 29. April zu Gast, vorher stehen noch Massenaufführungen in Düsseldorf (12. Februar) und Mannheim (26. Februar) auf dem Plan.

Auch wenn die Männer in Hannover nicht so stark vertreten sind, ist es der Chor, der mit seiner Musik mitreißt und für Ohrwürmer sorgt. Als alle 1.500 Sänger das abschließende Lied "Liebe ist das Gebot" anstimmen, klatschen in der Arena gleich mehrere tausend im Takt der Musik mit. Dazu jubilieren Orchester und Schlagzeug. 

epd