TV-Tipp des Tages: "Die Schatten, die dich holen" (ARD)
Vera wird zur Fondsmanagerin des Jahres nominiert: Auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn wird eine Wiener Finanzberaterin von ihrer Vergangenheit als Prostituierte eingeholt.
30.01.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Schatten, die dich holen", 1. Februar, 20.15 Uhr im Ersten

Es klingt wie ein Kolportage-Thriller: Auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Laufbahn wird eine Wiener Finanzberaterin von ihrer Vergangenheit als Prostituierte eingeholt. Ausgerechnet im Rahmen ihrer Nominierung zur Fondsmanagerin des Jahres droht ihr früherer Zuhälter, mit einem Schlag die Karriere und die Familie zu zerstören. Aus unzähligen Filmen dieser Art weiß man, dass es nur einen Ausweg gibt: Der Mann, den Vera vor Jahren als Zeugin hinter Gittern brachte, weil er an der Ermordung ihres Freundes beteiligt war, muss mundtot gemacht werden. Für immer.

Fesselndes Ehedrama

Es ist durchaus überraschend, dass sich der für seine ausgesucht seriösen Fernsehfilme bekannte und geschätzte SWR dieser Geschichte gemeinsam mit dem ORF angenommen hat. Der Hollywood-erfahrene Österreicher Robert Dornhelm, der unter anderem die Kostüm-Epen "Kronprinz Rudolf" und "Krieg und Frieden" inszeniert hat, ist gleichfalls alles andere als ein Experte für Rotlichtstoffe. Tatsächlich inszeniert Dornhelm seinen ersten Thriller als durchaus fesselndes Ehedrama, das erst am Ende etwas aus dem Ruder läuft: Wie immer in solchen Geschichten hat der unbescholtene Gatte (Bernhard Schir) natürlich keine Ahnung, dass sich seine Frau Vera (Aglaia Szyszkowitz) einst im fernen Hamburg teuer verkauft hat. Sie hat das auch nur getan, weil ihr spielsüchtiger Freund bei bösen Gangstern tief in der Kreide stand; und nun steht das verdrängte Leben in Gestalt des skrupellosen Zuhälters Alex (André M. Hennicke) plötzlich vor ihr.

Am liebsten wäre dem Mann die Teilhaberschaft an Veras Firma, aber dann ist er bereit, sich für sein Schweigen mit einer Million Euro bezahlen zu lassen. Als er bei der Geldübergabe erschossen wird, wird Vera klar, dass der Verbrecher einen Verbündeten und sie ausgerechnet dieser Person ihre kleine Tochter anvertraut hat. Erst jetzt zeigt sich, dass der Thriller auch Krimi ist. Wer bei einem zwischendurch kurz eingeblendeten Zeitungsartikel genau hinschaut, weiß allerdings schon vorher, warum die Sache mit Alex’ Ermordung noch lange nicht ausgestanden ist.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).