In der rund zweistündigen Gerichtsverhandlung hatten Vertreter der Landesregierung versucht zu erreichen, dass ehemalige Mitglieder der Zeugen zu ihrem Schicksal befragt werden. Sie hatten argumentiert, in dem mehr als zehnjährigen bundesweit geführten Rechtsstreit seien niemals Aussteiger gehört worden. Das Gericht entschied jedoch, dass eine weitere Beweiserhebung nicht notwendig sei. Die vorliegenden Fakten seien Beleg dafür, dass die Zeugen Jehovas "fundamentale Verfassungsprinzipien beachten und einhalten".
Auch der Vorwurf des Landes, die Zeugen Jehovas würden politischen Wahlen und gesellschaftlichen Organisationen fernbleiben und nicht dem Gemeinwohl dienen, spielte bei der Entscheidung keine Rolle. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits klargestellt, dass der Staat von Religionsgemeinschaften keine "Gemeinwohldienlichkeit" voraussetzen könne.
"Die Wachtturmgesellschaft will aus der Sekten-Ecke raus"
Das für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständige Bildungs- und Kulturministerium hat sich noch nicht entschieden, ob es eventuell noch einen Antrag auf Zulassung der Berufung einlegen wird. Das Land nehme mit Bedauern zur Kenntnis, dass die eigenen Argumente in dem Verfahren offenbar nicht überzeugend genug gewesen seien, sagte Ministeriumssprecherin Yvonne Globert.
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Körperschaften des öffentlichen Rechts kommen in den Genuss steuerlicher Vorzüge. Außerdem genießen sie eine Reihe anderer Privilegien, etwa das Recht auf konfessionellen Religionsunterricht an Schulen oder die Berücksichtigung in Rundfunkgremien. In Hessen, wo Jehovas Zeugen bereits seit 2009 als öffentliche Körperschaft anerkannt sind, nutzen sie diese Vorrechte nach Angaben des Kultusministeriums bislang jedoch nicht.
"Die Wachtturmgesellschaft will aus der Sekten-Ecke raus", sagte der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen des katholischen Bistums Mainz, Eckhard Türk, dem epd. "Der Körperschaftsstatus ist zunächst einmal ein Imagegewinn nach außen." Mit Blick auf die Lehre der Zeugen Jehovas sei hingegen schwer nachzuvollziehen, warum diese überhaupt einen Pakt mit dem Staat eingingen. Schließlich glaubten sie, dass er bald untergehe.
In zwölf Bundesländern "Körperschaft des öffentlichen Rechts"
Aus Sicht der Kirchen wäre es "bedauerlich, wenn die Zeugen Jehovas sich jetzt den Mantel der Harmlosigkeit und Seriosität umhängen können", sagte Türk. Die Gerichtsentscheidung komme dennoch nicht unerwartet. "Früher standen im 'Wachtturm' Dinge, die dem Körperschaftsstatus hinderlich gewesen wären. Heute ist so etwas in den Schriften nicht mehr nachzuweisen."
Die Zeugen Jehovas waren 2006 zuerst in Berlin als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden. Anschließend stellten sie Anträge auf eine sogenannte "Zweitverleihung der Körperschaftsrechte" in allen anderen Bundesländern. Zwölf Bundesländer billigten ihnen den Status bislang zu. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bremen lehnten dies ab, in Nordrhein-Westfalen steht die Entscheidung des Landes noch aus. Gegen die Ablehnung in Bremen hat die Religionsgemeinschaft inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt.