"Wilsberg: Aus Mangel an Beweisen", 28. Januar, 20.15 Uhr im Zweiten
Reine Komödien sind die "Wilsberg"-Krimis aus Münster nie, aber zumindest die Dialoge zwischen dem zerknautschten Privatdetektiv (Leonard Lansink) und seinem Kumpel Ekki (Oliver Korittke) garantieren immer wieder komische Szenen. "Aus Mangel an Beweisen" aber ist ein ungewohnt ernster Beitrag zur Reihe. Kein Wunder: Die mutmaßliche Entführung eines Jungen bietet keinerlei Anlass für Späße. Betroffen sind ein Cousin von Ekki und dessen Frau (Stephan Kampwirth, Claudia Michelsen). Wilsberg ahnt gleich, dass irgendwas nicht stimmt, und tatsächlich entpuppt sich der Vater, dessen Firma pleite ist, als Trittbrettfahrer seines eigenen Falls; der Sohn bleibt trotzdem verschwunden.
Für allenfalls grimmigen Humor sorgen allein die Dorfbewohner. Autor Jürgen Kehrer zeichnet sie als gewaltbereite Hinterwäldler, die allen Fremden mit Misstrauen begegnen. Das bekommt neben Wilsberg auch ein Mann zu spüren, der schließlich für die Polizei zum Hauptverdächtigen wird: Auf dem Grundstück eines Nachbarn (Michael Lott) werden Kleidungsstücke des jungen gefunden. Vor zwölf Jahren war Schwendtner wegen Kindesmissbrauchs angeklagt, wurde damals aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Als Pflichtverteidigerin wird ausgerechnet Wilsbergs einstiges Mündel Alex (Ina Paule Klink) bestellt. Die kann ihren Mandanten zwar auf Anhieb nicht leiden, ist aber die einzige, die sich für die Unschuldsvermutung stark macht. Dabei hat Schwendtner tatsächlich Dreck am Stecken.
Wilsberg flirtet mit der Dorfwirtin
Wie stets in den "Wilsberg"-Krimis gibt es überschaubare Nebenschauplätze mit mehr oder weniger großem Bezug zur Handlung. So soll Ekki zum Beispiel beobachten, wer das auf einem Autobahnrastplatz deponierte Lösegeld abholt, wird aber von den Reizen einer freizügig dekolletierten Fremden abgelenkt. Die Unbekannte ist niemand anders als seine Sandkastengespielin Silke (Nadja Becker), die seine Eltern gern zur Schwiegertochter hätten. Auch Wilsberg hat ein romantisches Abenteuer; allerdings verläuft seine Liaison mit der Dorfwirtin (Bettina Kupfer) ungleich platonischer.
Originellste Figur der von Hans-Günther Bücking (Kamera und Regie) inszenierten Geschichte ist Nils Erdel (Daniel Roesner). Der junge Mann gerät zwar gleichfalls vorübergehend ins Visier der Polizei, ist aber bloß ein harmloser Spinner, der an Ufos glaubt. Trotzdem stellt er das Bindeglied zum nächsten Beitrag der Reihe (18. Februar) dar, denn zwischen den beiden Filmen bietet das ZDF der "Wilsberg"-Fangemeinde ein Schmankerl im Internet. Schon im heutigen Film weist Erdel den Detektiv auf eine "Bielefeld-Verschwörung" hin. So lautet auch der Titel der nächsten "Wilsberg"-Folge: Erdel bangt um sein Leben, bittet den Detektiv um Hilfe und stirbt kurz drauf. Auf dem Blog www.101bielefeld.de kann man sich seit dem 26. Januar an der Suche nach Details zur Bielefeld-Verschwörung beteiligen. Die gibt es übrigens tatsächlich, sie wird seit 18 Jahren mit boshafter Liebe zum Detail am Leben erhalten. Ihre Anhänger sind überzeugt, dass die Stadt Bielefeld überhaupt nicht existiert.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).