"Wir suchen für den Bereich Gesundheit im Nahrungsmittelergänzungs-Bereich Schreiber, die in Foren Diskussionen über unsere Themen und Produkte anstoßen und auf unseren Shop verlinken" oder "benötigt werden 250 Link-Einträge für verschiedene Websites im Bereich Mode". Jobs wie diese gibt es immer häufiger. Kommentare in Foren, Sozialen Netzwerken, Blogs: Sie alle erzeugen Backlinks – Rückverweise auf Webseiten-Adressen, die dann von Suchmaschinen besser gefunden werden. Das ist der vermeintliche Erfolg und die Glaubwürdigkeit für Seiten und damit auch deren kommerziellen Angebote, der auf Onlinebörsen eingekauft werden kann.
Für jeden Backlink gibt es bei diesem Angebot einen Euro, sofern er denn vom Administrator des jeweiligen Forums oder Blogs freigeschaltet wird – also nicht als Spam oder Werbung erkannt wird: "100 Prozent unique content". Keine "Spintexte". Obwohl sie das sein sollen: Werbung, bezahlter Jubel in der authentischen Sprache des Social Webs.
"Vor allem in Portalen nimmt das zu", sagt Thomas Pleil, Professor für Online-PR an der Hochschule Darmstadt. Gehandelt wird mit allem, was bekannt macht, hat der Forscher beobachtet. Ein erfolgreicher Hashtag bei Twitter kann nachher für Werbung eingesetzt werden – auch wenn er inhaltlich nichts mit dem Produkt zu hat. Man kann über Ebay oder Social-Media-Agenturen Facebook-Fans und -Freunde kaufen, die den jeweiligen Zwecken zustimmen. "Aufmerksam werden sollte man immer, wenn es bei einer plötzlich hohen Zahl von Zustimmungen viele ganz neue Benutzer-Profile gibt", sagt Pleil. "Aber auch das haben die Anbieter schon erkannt und in Online-Börsen sind jetzt ältere private Social-Media-Accounts gefragt." Die werden dann den Usern abgekauft und für eigene Zwecke verwandt.
Bei Entdeckung folgen Strafen
Kommen Google, Facebook und Co. hinter diese Geschäfte gibt es empfindliche Strafen – schließlich schadet ein gedrehtes Ranking der eigenen Glaubwürdigkeit. Google stuft deshalb die Seiten, die mit bezahlten Links und bezahlter Werbung arbeiten bei den Suchergebnissen herunter – wenn die Werbung nicht gekennzeichnet ist und mit einem so genannten Non-Follow-Link gekennzeichnet ist. Das ist ein Detail in Hyperlinks, das die Suchmaschine anweist, diesen Rückverweis bei der Berechnung der Link-Popularität nicht zu beachten.
Aber die unerwünschte Werbestrategie ist so verbreitet, dass es Google sogar selbst passiert ist: Der Google-Browser Chrome wurde durch gekaufte Blog-Beiträge beworben, in die ein Werbevideo auf Youtube eingebettet war. In einem Fall wurde gar direkt auf die Software verlinkt– zwar mit dem Hinweis "sponsored bei Google", aber ohne Non-Follow-Link. Den Werbeauftrag hatte eine Agentur, bezahlte Blog-Einträge habe Google jedoch nicht bestellt, versicherte das Unternehmen in verschiedenen Medien. Google bestrafte sich dennoch selbst und stufte Chrome in seiner Suchmaschine ab.
In welchem Umfang auf deutschen Websiten, in Blogs und Foren bezahlte Links platziert werden, ist nicht erforscht. "Es ist ja auch illegal oder halblegal, daher gibt es über den Markt keine Statistiken“, sagt Thomas Pleil. Eine einfache Googlesuche nach den Schlagworten "Backlinks“ oder "SEO“ zeigt aber: Der Markt ist groß und unübersichtlich und die Methoden verschieden.
Bezahlte Links nehmen zu
Eine aktuelle kanadisch-chinesische Studie über den chinesischen Markt der bezahlten Poster geht davon aus, dass ihre Zahl wächst – weltweit. Sie heizen Kampagnen für Fernsehshows an, bringen durch verbreitete Gerüchte konkurrierende Firmen zu Fall, empfehlen Produkte, die auf den Markt eingeführt werden sollen – je nach dem, in welchem Auftrag sie handeln. Hinweise auf die international "Internet Water Army“ genannten gekauften Werber: Junge Profile, Kommentar-Wiederholungen, kurze Kommentare wie "Weiter so" oder "Gut gemacht", wenig inhaltlicher Bezug. "Für Foren und Blogbetreiber ist das sehr aufwändig zu identifizieren", sagt Pleil, der auf seinem Blog inhaltlich schwache Kommentare großzügig löscht. Von Hand. "Für Spam-Programme ist der von Menschenhand gemachte Spam nicht leicht zu erkennen, denn er wird immer professioneller gemacht."
Werbung in Blogs, auf Webseiten und in Foren zu schalten und die Seitenbetreiber für Beiträge zu zahlen ist nicht zwangsläufig illegal. "Ist sie als Werbung gekennzeichnet, ist es in Ordnung zu werben", sagt Nicole Tews von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, einem Selbstkontrollorgan der deutschen Wirtschaft. "Das muss aber auch wirklich deutlich gemacht werden: Worte wie 'promotion' oder 'sponsored by' sind für deutsche Verbraucher nicht eindeutig und insofern keine ausreichende Kennzeichnung."
Gekaufte positive Bewertungen auf Plattformen sind wettbewerbswidrige getarnte Werbung. "Es ist generell nicht zulässig, als Unternehmer den Eindruck zu vermitteln, privat eine Einschätzung abzugeben", sagt die Rechtsanwältin. "Das wird von Usern als glaubwürdiger bewertet und führt sie in die Irre." Schwieriger ist die rechtliche Bewertung von durch gekaufte Backlinks in den Suchmaschinen erfolgreichen Seiten: Ihr Erfolg bedeutet für einen Unternehmer mehr Publikumsverkehr auf der Webseite – und das fördert mit Sicherheit den Umsatz. Als Werbung gekennzeichnet sind die scheinbar privaten Kommentar und Posts aber nicht. "Das ist aus meiner Sicht eine Irreführung des Verbraucher, weil er über die vermeintliche Relevanz des Seitenangebots getäuscht wird", sagt Tews. "Es gibt dazu aber noch keine gesicherte Rechtssprechung."
Die Abstufung ist die einzige wirksame Drohung
Die rechtlichen Konsequenzen macht der Wirtschaft sowieso wenig Angst, glaubt Stefan Mey, der im letzten Jahr seine Abschlussarbeit über die Ökonomie von Blogs fertig gestellt hat: Die Suche nach Informationen über gekaufte Blogs war dabei sehr schwierig. Der Blogger baut selber gerade eine Online-Dating-Unternehmen auf und weiß auch dadurch, wie viele Angebote es gibt. "Gerade im Bereich Autohandel und Online-Dating bedeutet gute Verlinkung enormen Verdienst", sagt Mey. "Eine rechtliche Sanktion ist nichts gegen eine Abstufung durch Google."
Eine moralische Kritik am Suchmaschinenoptimierungs-Markt sei immer auch ein Plädoyer für die Ethik von Google – einem Großkonzern, ebenfalls mit ökonomischen Interessen. Links zu kaufen und Geld für Verlinkungen anzunehmen sei weit verbreitet, sagt Mey. "Unter Bloggern aber weniger und wenn dann nur in Blogs, die nicht so viel Verbreitung haben." Komme so etwas an Licht, verliere ein Blogger seine Glaubwürdigkeit und damit auch seine Leser. Was nicht heißt, dass es keine Angebote gibt
Auch Blogs sind betroffen
Ein Beispiel bietet das Energieunternehmen Entega. Es machte über die Agentur Ebuzzing auch dem "Klima-Lügendetektor" dieses Angebot, so die Seitenbetreiber. Blogger erhielten 6 Cent für jeden Klick auf einen – vom Blogger eingebetteten – Film über eine Klimakampagne. Der Blogger solle "Werbemittel entweder entsprechend der Vorgaben des Briefs erstellen oder bereits fertige Werbemittel (z.B. Videos) übernehmen und diese in seinem Blog und/oder seiner Internetseite gemäß den Vorgaben des Briefes veröffentlichen", zitiert der "Klima-Lügendetektor" aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Weil die Blogger sich nicht weiter bei Ebuzzing registrieren wollen, liegen ihnen keine weiteren Details vor. In anderen Blogs haben sie den Entega-Film jedoch gefunden.
Ebuzzing Geschäftsführungsmitglied Sven Bagemihl betonte gegenüber evangelisch.de, von der Praxis, Filme in Blogs per Klick zu bezahlen, habe sich das Unternehmen verabschiedet. Blogger, die mit ihnen zusammenarbeiteten und für ihre Geschäftskunden werben erhielten festes Honorar und müssten die Werbung kennzeichnen – auch mit No-Follow-Links.
Überall ist das nicht so. Wegen unerwünschten Postern wird unter Bloggern inzwischen auch darüber diskutiert, die Kommentarfunktion abzubestellen. Traurige Aussichten für die Diskussionskultur im Netz: "Unerwünschte Werbung stört unsere Online-Gemeinschaften nachhaltig. Spam zieht Spam nach sich, gemäß der Broken Glass Theory. Der Ruf leidet, die Ehrenamtlichen verlieren ihr Interesse, die wahren Experten ziehen sich zurück und überlassen das Feld den Fakeprofilen," schreibt Silke auf "wer weiß was" - und wünscht sich intelligente und nachhaltige Konzepte zur Spam und Fakeprävention.
Miriam Bunjes ist freie Medienjournalistin.