Bibelserie: Gott als Lamm, Henne oder Löwe
Wie ist Gott? Diese Frage bewegt die Menschen schon seit biblischen Zeiten. "Frage doch das Vieh, das wird dich's lehren, und die Vögel unter dem Himmel, die werden dir's sagen, und die Fische im Meer werden dir's erzählen." Dieser Rat des Hiob spiegelt die menschliche Sehnsucht, Gott bildhaft zu erfassen, ihn sich begreiflich zu machen.
24.01.2012
Von Sonja Poppe

Sprache lebt seit jeher durch Bilder und Vergleiche; sie erklären Gott und die Welt verständlicher als theologische Gedankengänge. Dennoch warnt das Bilderverbot in der Bibel: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist." (2. Mose 20,4) Das Gebot mahnt, anzuerkennen: Gott ist größer als jedes Bild, das sich Menschen von ihm machen, auch als jedes Tierbild. Wer das berücksichtigt, darf sich auch heute getrost von den tierischen Bildern für Gott anrühren lassen. Und zum Beispiel das Kirchenlied "Lobe den Herren" mitsingen, "der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet… in wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!"

Stier, goldenes Kalb und Bilderverbot

2. Mose 32,8; 1. Könige 12,28f
In biblischen Zeiten galt der Stier als Symbol der Kraft und der Fruchtbarkeit und war daher besonders geeignet, Gottes Macht und Überlegenheit zu beschreiben. Aus diesem Grund ließ König Jerobeam I. eines Tages in den Heiligtümern Stierbilder als eine Art Fundament für den Thron Gottes aufstellen. Das führte schnell zu einem Problem: In der Nachbarschaft der Israeliten gab es Menschen, die den Götzen Baal in Form von Stierbildern anbeteten. Plötzlich bestand Verwechslungsgefahr – und zwar weniger zwischen Baal und dem israelitischen Gott als zwischen dem unsichtbaren Gott und dem Stierbild. Vor einer solchen Verwechslung warnt auch die Erzählung vom goldenen Kalb: Während Mose auf dem Berg die Zehn Gebote empfing, wurden die Israeliten unzufrieden. Sie wollten endlich etwas Greifbares haben, fertigten ein goldenes Stierbild an und verehrten es als Gott. "Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn und er … nahm das Kalb … und ließ es im Feuer zerschmelzen." "Du sollst dir kein Bildnis machen", fordern die Zehn Gebote, denn vielleicht ist Gott stark wie ein Stier, aber ein Stier ist er nicht.

Zitat: "Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt: das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat."

"Wie ein Adler ausführt seine Jungen..."

Psalm 91,4; 5. Mose 32,11; Matthäus 23,37
Häufig wird Gott in der Bibel mit Vögeln verglichen, die für ihre Jungen sorgen und sie unter ihren Flügeln in Schutz nehmen. In einem Lied beschreibt Mose, wie Gott einem Adler gleich auf Jakob achtgegeben habe: "Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, breitete er seine Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln", heißt es da. Und Jesus ruft den Menschen entgegen: Wie oft habe ich euch "versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!" Dabei ist es doch so eine schöne Vorstellung: Unter Gottes Flügeln können wir sichere Zuflucht finden – wenn wir wollen.

Zitat: "Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln."

"Und er wird brüllen wie ein Löwe..."

Hosea 11,10f; Hosea 5,14; Hiob 10,16
Der Löwe als Symbol für Mut und Kraft und vor allem sein Gebrüll dienten ebenfalls oft zur Beschreibung des göttlichen Handelns. Ein solches Löwengebrüll kann sowohl Gottes freundlich-machtvolle als auch seine zornige Seite zum Ausdruck bringen. Einerseits verkündet Hosea: "Alsdann wird man dem Herrn nachfolgen, und er wird brüllen wie ein Löwe. Und wenn er brüllen wird, so werden zitternd herbeikommen seine Söhne … und ich will sie wieder wohnen lassen in ihren Häusern, spricht der Herr." Andererseits kann das Gebrüll auch sehr unangenehme Folgen ankündigen: "Ich bin für Ephraim wie ein Löwe und für das Haus Juda wie ein junger Löwe. Ich zerreiße sie und gehe davon; ich schleppe sie weg und niemand kann sie retten." Gott kann wie ein Löwe sein, machtvoll-beschützend aber manchmal auch erschreckend zornig.

Zitat: "Und … so würdest du mich jagen wie ein Löwe und wiederum erschreckend an mir handeln."

… und andere wilde Tiere

Klagelieder Jeremias 3,10; Hosea 13,7f
Mit Hilfe weiterer Raubtiere führt die Bibel drastisch vor Augen, dass Gott nicht immer nur ein "lieber Gott" ist: "So will ich für sie wie ein Löwe werden und wie ein Panther am Wege auf sie lauern. Ich will sie anfallen wie eine Bärin, der ihre Jungen genommen sind, und will ihr verstocktes Herz zerreißen und will sie dort wie ein Löwe fressen; die wilden Tiere sollen sie zerreißen", droht Gott den unbelehrbaren Menschen durch den Propheten Hosea.

Zitat: "Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen."

Der Heilige Geist als Taube

Matthäus 3,16
Neben dem Adler und der Henne symbolisiert noch ein weiterer Vogel einen Aspekt Gottes. Die Taube ist nicht nur ein Zeichen des Friedens, sondern auch für den Heiligen Geist, eine der drei "Personen" oder Erscheinungsweisen Gottes. Im Matthäusevangelium werden die Geschehnisse bei der Taufe Jesu folgendermaßen beschrieben: "Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen." In manchen Kirchen schmücken noch heute zu Pfingsten hölzerne Tauben den Raum.

Zitat: "Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren."

Jesus, das Lamm Gottes

Johannes 1,29; 1. Korinther 5,7
In biblischer Zeit dienten Lämmer als Opfergabe. Beim Passafest zum Beispiel wurden Lämmer geopfert. Diese Vorstellung greift Paulus im Brief an die Korinther auf, wenn er betont: "Denn auch wir haben ein Passalamm, das ist Christus, der geopfert ist." Da wird Jesus Christus zum Lamm, das durch seinen Kreuzestod die Sünden der Menschen auf sich genommen hat. Was für ein Gegensatz zum brüllenden Löwen – und doch immer der eine Gott.

Zitat: "Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!"

Zum Weiterlesen: Schroer, Silvia; Die Tiere in der Bibel. Eine kulturgeschichtliche Reise. Freiburg/Brsg. Herder 2010


Sonja Poppe (31), hat Religionspädagogkik studiert und ein abgeschlossenes Referendariat, lebt bei Osnabrück und arbeitet als freie Autorin zu theologischen Themen.