Gottschalk in der ARD: Gemütlich, sympathisch, zerstückelt
Thomas Gottschalk ist die neueste Waffe im Vorabendköcher der ARD. Der Sender verschießt ihn aber in Stücken - das ist schade, denn Gottschalks Ansätze sind gut, auch wenn er sich an das neue Format noch ein bisschen gewöhnen muss.
23.01.2012
Von Hanno Terbuyken

Gottschalk beginnt seine Auftaktsendung von "Gottschalk Live" mit einem selbstironischen Monolog, einer Gegendarstellung zu seinem Cousin Jan, den die "Bunte" aufgetrieben haben will, der aber gar nicht sein Cousin ist, amüsiert sich über die offizielle ARD-Krawatte und lässt beiläufig noch fallen, er habe Bully Herbig zu Gast, "heute keine Ausländer, habe ich mir überlegt".

Völlig souverän bewegt sich Gottschalk durch sein Studio und seine Redaktion, begleitet von der Schulterkamera. Es wirkt sehr transparent, was Gottschalk da treibt, als er seine Gottschalks Social-Media-Assistentin Caro besucht. "Das läuft ein wie blöde", sagt sie auf die Frage, ob die Zuschauer schon fleißig Twittern und Facebooken, ach ne, "Facebook darf man in der ARD ja nicht sagen", meint Gottschalk. Interaktiv will Gottschalk sein, kein Sackgassenprogramm: Nach der Sendung bleibt er noch eine halbe Stunde im Netz – die Zeit, die er sonst immer überzogen hat. Unter allen Zuschauern, die sich an der Sendung beteiligen, beginnt er dann die Verlosung vom "Schlauch von Jauch" - der offizielle ARD-Krawatte, von Günther Jauch getragen.

Gottschalk kokettiert im Wohnzimmerambiente

So ein bisschen erinnert Gottschalk an einen netteren Harald Schmidt. Ein paar Geschehnisse des Tages kommentiert er in den ersten 13 Minuten, darunter die Trennung von Seal und Heidi Klum, stellt seine Redaktion vor, und dann kommt der Gast, heute Bully Herbig, dessen größten Erfolg ("Schuh des Manitu") Gottschalk einfach mal 20 Jahre vorverlegt.

Gottschalk kokettiert mit seiner eigenen Prominenz und mit den Kontakten, die er in die Welt der Reichen und Schönen hat, aber man merkt ihm an, dass er das alles schon seit Jahrzehnten macht. Im Wohnzimmerambiente sitzt er ganz entspannt mit Bully Herbig zusammen, scherzt mit seinen Mitarbeitern und bringt seine ganze Souveränität und Erfahrung ins Spiel. Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass Gottschalk hier die Gelegenheit nutzt, einfach mal zu machen, was er will.

Seinen Interviewpartner Bully lässt er auch mal länger reden, redet aber auch selbst mal länger. Das ist eigentlich eine angenehme Form des Gesprächs, unaufgeregt und ausreichend weit weg von der Alle-gleich-lang-reden-lassen-Mentalität der abendlichen Polit-Talkshows. Die Werbung in der Sendung nervt allerdings ziemlich – einmal 60 Sekunden, dann zehn Minuten später noch mal 30 Sekunden, dann fünf Minuten später nochmal Werbung und auch noch das Wetter.

Liebe ARD: Gottschalk einfach machen lassen!

Lasst den Mann einfach machen, liebe ARD! Wenn im gebührenfinanzierten Fernsehen Werbung sein muss, dann macht drei Minuten zwischendurch. Aber Gottschalks Gemütlichkeit so zu zerstückeln, irritiert ziemlich. Der Moderator nimmt es mit Humor: "1.600 Klicks haben wir schon, mehr als Zuschauer", witzelt Gottschalk im Anschluss an die Werbung, "ich gehe als Internetgröße in die Fernsehgeschichte ein."

Am Ende kniet sich der Showmaster vor die Kamera, wirbt mit Armin Rohde, Beckenbauer und einem Eisbärbaby in der nächsten Sendung und bittet: "Ich brauche jeden Zuschauer!" Die gönnt man ihm nach diesen gemütlich-unterhaltsamen Minuten gerne. Die ARD allerdings schießt sich selbst ins Knie, wenn sie das offene, interaktive, ambitionierte Konzept durch Werbung, Wetter und Börse zerhackt. Gottschalks Stärke ist das kontinuierliche Gespräch, die ungeteilte Aufmerksamkeit für sich und seine Gäste. Dem Moderator selbst ist bei den Unterbrechungen sichtlich unwohl. Es ist zumindest in der Auftaktsendung nicht die übliche Häppchenkost am Vorabend, die Gottschalk auftischt – und dann sollte sie auch nicht so präsentiert werden.

Um 19.53 endet die Sendung, noch sieben Minuten bis zur Tagesschau. Das ist schade, denn das ist verschenkte Zeit. Mehr Gottschalk, mehr Twitter und Facebook, weniger Börse, Wetter, Werbung und Programmvorschau: Dann könnte die ARD hier einen echten Vorabend-Erfolg landen.


Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.