"Wir sind am Ende der Sanktionen angelangt, ganz am Ende", sagte Frankreichs Außenminister Alain Juppé. Nach dem Einfuhrstopp für iranisches Öl und der Sperrung der Konten der Zentralbank des Irans gebe es nicht mehr viele Druckmittel, zu denen die EU noch greifen könne. Im Bemühen, den Iran zur Offenlegung seiner Atompläne und damit zum Verzicht auf Atomwaffen zu drängen, holten die EU-Außenminister am Montag in Brüssel die ganz schweren Geschütze aus der politischen Waffenkammer.
Die EU hat damit ihren bisherigen Kurs verlassen, mit Sanktionen auf den Nuklear- und Hightech-Sektor zu zielen. Nun will sie die Wirtschaftskraft der iranischen Regierung treffen. "Damit zielen wir auf das Herz des iranischen Nuklearprogramms, nämlich die Finanzquellen", formulierte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle.
Boykott soll "sinnvolle Verhandlungen" erzwingen
Sieben Jahre nach Beginn des Streits um die Atompläne des Irans fühlen sich manche Minister geradezu vorgeführt von den Iranern. So hatte die Außenbeauftragte Catherine Ashton schon im Oktober neue Gespräche vorgeschlagen. Im Januar forderte dann Teheran die EU zu Gesprächen auf, ohne auf das EU-Angebot überhaupt zu antworten. "Sie spielen wieder Spielchen", meinte ein hochrangiger EU-Diplomat genervt.
Die Sanktionen sollen den Iran zu "sinnvollen Verhandlungen" über sein Atomprogramm bewegen, betonten die Minister in schöner Einmütigkeit. Aber wenn Juppé recht hat und die EU nach diesen "beispiellosen Sanktionen" nicht mehr viele andere Pfeile im Köcher hat, dann ist es umso wichtiger, dass die Sanktionen funktionieren. Es geht vor allem um zwei Fragen: Wie reagieren die anderen Kunden des Irans? Und was tut der Iran?
Der Verlust der EU-Ölkundschaft ist für die politische Führung des Irans schmerzlich, aber noch nicht lebensgefährlich. Von den gesamten iranischen Ölexporten entfallen rund 18 Prozent auf die EU - der weitaus größte Teil geht an andere Kunden.
Nur das EU-Embargo hat kein großes Gewicht
Die wirklich großen Ölkunden des Irans sind China (22 Prozent), Japan (14), Indien (13) und Südkorea (10 Prozent). Würden diese sich zum Boykott vereinen, wäre dies praktisch das Ende des Ölproduzenten Iran - und möglicherweise die ernsthafteste Bedrohung des Regimes überhaupt. Westerwelle sagte am Montag in Brüssel auf die Frage nach internationaler Unterstützung, China habe "seine entsprechenden Abnahmen zurückgeführt". Über Einzelheiten schwieg er sich aus. Auch Japan hat sich bisher zumindest öffentlich noch nicht klar zu der Frage geäußert, ob es möglicherweise auf iranisches Öl verzichten wolle.
China ist der Großkunde Teherans. Und Pekings Warnung vor einer Blockade der wichtigen Straße von Hormus, durch die rund 20 Prozent des weltweit exportierten Öls befördert werden, hat in Teheran erkennbar Wirkung gezeigt. Die Angst vor einer solchen Sperrung, die die USA bereits als Kriegserklärung bezeichneten, ist bei der EU derzeit gering. "Zutiefst kontraproduktiv wäre das", meinte der schwedische Außenminister Carl Bildt: "Es würde ihnen (den Iranern) mehr schaden als uns.
Ist Krieg die letzte Option nach den Sanktionen?
Auf Seiten der EU sind Griechenland, Italien und Spanien die Hauptbetroffenen des Öl-Einfuhrstopps. Griechenland ist zu 25 Prozent, Italien zu 13 und Spanien zu etwa 10 Prozent auf iranisches Öl angewiesen. Der italienische Außenminister Terzi di Sant'Agata gab sich gelassen: "Wir sehen keine größeren Auswirkungen. Die Lieferungen sind gut auf verschiedene Länder verteilt."
Ob die EU in den kommenden Wochen mit dem Einfuhrverbot für iranisches Öl alleine bleibt, wird nach Ansicht vieler Diplomaten über den Erfolg der Sanktionen entscheiden. An das Szenario eines Scheiterns mögen viele gar nicht denken. Dann wäre ein Krieg in der Region - nicht nur zwischen dem Iran und Israel, sondern auch unter Einschluss anderer Akteure - durchaus denkbar. Juppé wollte dann auch auf Nachfragen nicht darauf beharren, dass man am Ende der Sanktionen schon angekommen sei. "Man kann ja immer noch über andere Etappen nachdenken. Aber das hier sind wirklich ganz beispiellose Sanktionen."