TV-Tipp des Tages: "Der Mann, der alles kann" (ARD)
Hauptkommissar Hellkamp kann kein Blut sehen. Trotzdem träumt er von einer Fortbildung zum Profiler, aber sein alter Kumpel und jetziger Chef Horst Hoff sähe es lieber, wenn er den Dienst quittierte.
20.01.2012
Von Tilmann P. Gangloff

"Der Mann, der alles kann", 26. Januar, 20.15 Uhr im Ersten

In den harmlosen Krimigeschichten mit Ottfried Fischer als Pfarrer Braun muss Peter Heinrich Brix immer als Pausenclown herhalten: Wenn der trottelige Kommissar Geiger mal was zur Lösung eines Falls beiträgt, dann allenfalls aus Versehen. In dem Fernsehfilm "Der Mann, der alles kann" knüpft Brix zunächst an diesen Rollentypus an. Hauptkommissar Robert Hellkamp arbeitet zwar bei der Mordkommission des niedersächsischen Landeskriminalamts, ist dort aber nur für Archivarbeiten zuständig: Er kann kein Blut sehen. Trotzdem träumt er von einer Fortbildung zum Profiler, aber sein alter Kumpel und jetziger Chef Horst Hoff (Ralph Herforth) sähe es lieber, wenn er den Dienst quittierte.

Hellkamp wächst über sich hinaus

Wozu Hellkamp tatsächlich fähig ist, zeigt sich, als er die Friseurin Rita Meier (Anica Dobra) kennen lernt. Sie hält ihn für ein hohes Tier beim LKA, und weil sie zudem überzeugt ist, er sei eine kriminalistische Koryphäe, bittet sie ihn um Hilfe, als sich eine Mitbewohnerin ihrer Tochter angeblich vom Dach gestürzt hat. Dank der Bewunderung der verhinderten Krimiautorin wächst Hellkamp in der Tat über sich hinaus, überwindet sogar seine Tatortphobie, löst den Fall beinahe beiläufig und bringt scheinbar mühelos einen gefährlichen Gangster zur Strecke.

Schon der Titel verspricht eine eher spielerische Geschichte: "Der Mann, der alles kann" (Regie: Annette Ernst) heißt Ritas späterer Roman, zu dem Hellkamp sie inspiriert hat. Der grundanständigen Friseurin geht Ehrlichkeit über alles. Sie durchschaut zwar Hellkamps harmlose Hochstapelei, zumal das Chefbüro von Kraftmeier Horst, der dank einer jungen Freundin hemmungslos in den Jugendwahn abdriftet, so gar nicht der Persönlichkeit ihrer neuen Bekanntschaft entspricht; doch ihre Zuneigung zu diesem zunächst so unbeholfen wirkenden Kriminalisten ist größer. Das Drehbuch stammt von Norbert Eberlein, der Brix bereits diverse Folgen "Großstadtrevier" und "Neues aus Büttenwarder" auf den Leib geschrieben hat und der schon mit "2 für alle Fälle" eine äußerst hübsche Krimikomödie kreiert hat.

Brix und Dobra sind zudem schon deshalb ein reizvolles Paar, weil sie so überhaupt nicht zusammenzupassen scheinen. Er ist zwar nur acht Jahre älter als sie, doch dank seines verknautschten Äußeren hat man den Eindruck, als läge eine ganze Generation zwischen dem Hauptkommissar und der Friseurin. Natürlich sind die zaghaften Annäherungen und die immer wieder scheiternden Versuche, in Ruhe gemeinsam zu Abend zu essen, letztlich wichtiger als die beiden Krimifälle; aber auch die sind sorgfältig eingefädelt. Gleiches gilt für die vielen liebevoll ausgedachten und umgesetzten Randfiguren, etwa Lars Rudolph als Hellkamps Kollege von der Abteilung Leistungserschleichung, der mit großen Augen die Metamorphose seines Freundes verfolgt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).