"Hannah Mangold & Lucy Palm", 24. Januar, 20.15 Uhr auf Sat.1
Wenn man schon ein Duo ins Quotenrennen schickt, liegt es nahe, zwei möglichst unterschiedliche Figuren miteinander zu kombinieren. Das verschafft nicht nur größere Akzeptanz, weil man auf diese Weise mehr Zuschauer zur Identifikation einlädt; je divergenter die Protagonisten, desto größer das Potenzial für Auseinandersetzungen innerhalb des Teams. Mittlerweile sind die meisten Spielarten bereits diverse Male ausprobiert worden; Frauen-Duos, in denen die eine hart, die andere eher zart ist, gab’s seit "Doppelter Einsatz“ (RTL) auch schon mehrfach. Hannah Mangold und Lucy Palm aber sorgen tatsächlich für eine neue Farbe. Die beiden sind wie Nitro und Glycerin: Die eine ist knallhart, die andere durchgeknallt.
Hannah Mangold ist nicht nur wegen der Besetzung mit Anja Kling zunächst die interessantere Figur: Im Rahmen eines Racheakts hat ein Ganove (Alexander Radszun) die beste Freundin ihrer Tochter ermordet und die Kommissarin lebensgefährlich verletzt. Nach einem fast einjährigen Aufenthalt erst im Krankenhaus und dann in einer psychiatrischen Klinik kehrt sie nun in den Dienst zurück. Den alten Job als Dezernatsleiterin ist sie allerdings los, außerdem muss sie vorerst ohne Waffe auskommen. Ihre neue Partnerin ist Lucy Palm (Britta Hammelstein), eine junge Polizistin, die härter wirkt als die meisten männlichen Kollegen. Gemeinsam sollen sie einen Serienvergewaltiger jagen, der sein letztes Opfer ermordet hat.
Düstere Ästhetik
Sat.1, gerade beim Fernsehfilm auf harmlose Romanzen abonniert, setzt mit "Hannah Mangold & Lucy Palm“ den Weg fort, den der Sender schon mit dem "Wolff“-Comeback eingeschlagen hat. Die Ästhetik ist eher düster, die Hauptfiguren haben Ecken und Kanten, die Geschichte ist deutlich komplexer als viele andere Krimis. Vor allem aber erweitert Sat.1 das Krimigenre durch einen Schuss Übersinnlichkeit: Aufgrund des Traumas leidet Mangold unter der Gabe, das Böse zu spüren. Wann immer sie es mit einem Verbrecher zu tun, hat sie Halluzinationen, die den Schurken entlarven. Deshalb weiß sie auch sofort, dass der Bruder (Marek Harloff) des Opfers der gesuchte Täter ist. Er kann zwar entkommen, aber Hannah stürzt sich gleich auf den nächsten Fall: Nach dem Suizid einer Freundin, mit der sie in der Klinik das Zimmer geteilt hat, ist sie überzeugt, dass der behandelnde Psychiater (Bernhard Schütz) seine Patientinnen in den Selbstmord treibt.
Anja Kling und die kaum bekannte Britta Hammelstein (sie gehörte als Tochter des Titelhelden zum festen Ensemble der ARD-Serie "Der Winzerkönig“) sind schon deshalb ein gutes Gespann, weil es beide nicht darauf anlegen, eine möglichst gute Figur zu machen. Gerade für Kling ist die erfahrene Polizistin, die mit den Folgen ihres Traumas zu kämpfen hat und wenig Wert auf ihr Erscheinungsbild legt, eine interessante Rolle. Hammelstein ist als eher herbe Schönheit, deren Attraktivität sich in dieser Rolle bewusst erst auf den zweiten Blick erschließen soll, eine reizvolle Ergänzung. Wenn sich genug Zuschauer finden, die das ebenso sehen, dürfen die beiden Berliner Polizistinnen noch öfter ran.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).