"Islamische Fonds sind keine Massenprodukte"
Die Landesbank WestLB bringt eine neue Finanzanlage speziell für muslimische Kleinanleger auf den Markt. Islam-konforme Finanzprodukte sind bislang auf dem deutschen Markt selten. Viele konventionelle Geldanlagen sind nach der Scharia für Gläubige nicht erlaubt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Präsident der Universität Marburg, Volker Nienhaus (60), in einem epd-Gespräch. Die WestLB will diese Lücke schließen.
19.01.2012
Die Fragen stellte Jasmin Maxwell

Islamische Geldanlagen gibt es schon seit Jahrzehnten. Was ist bei der Geldanlage der WestLB neu?

Volker Nienhaus: Das "Islamic-Strategie-Index-Zertifikat" bietet ein Investment in zehn Unternehmen aus dem Deutschen Aktien-Index (DAX), die die Kriterien für islamische Geldanlagen erfüllen. Dass gerade deutsche Unternehmen ausgewählt werden, ist neu. Bisherige Fonds haben eher in Scharia-kompatible festverzinsliche Wertpapiere in den Golfstaaten investiert. Neu ist auch die Orientierung auf muslimische Kleinanleger in Deutschland, unter anderem durch den niedrigen Einstiegspreis. Vergleichbare Produkte deutscher Banken wurden bisher eher für Kunden aus den Golfstaaten angeboten.

Welche Kriterien müssen islamische Geldanlagen erfüllen?

Nienhaus: Der Hintergrund islamischer Geldanlagen ist das Zinsverbot im Koran. Aktien an sich sind nach der Scharia zwar zulässig, weil sie Teileigentum an einem Unternehmen darstellen. Aber die meisten Aktiengesellschaften sind mit Fremdkapital auf Zinsbasis finanziert. Wenn man das Zinsverbot strikt anwendet, dürften Muslime auf dem internationalen Kapitalmarkt nicht in Aktien investieren.

Deshalb wird das Zinsverbot in der islamischen Welt so ausgelegt, dass Unternehmen, bei denen die Zinsanteile bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten, akzeptabel sind. Daneben gibt es Bereiche wie die Produktion und den Handel mit Alkohol, Schweinefleisch, Pornografie, Tabak, Waffen und Glücksspiel, die kategorisch ausgeschlossen werden. Auch Spekulation wird abgelehnt.

Wie schätzen Sie die Nachfrage nach islamischen Finanzprodukten in Deutschland ein?

Nienhaus: Es gibt Indizien dafür, dass die Nachfrage nicht so hoch ist, wie viele Optimisten denken. Islamische Fonds sind keine Massenprodukte. Die Tatsache, dass jemand aus der Türkei kommt und nominell Muslim ist, macht ihn nicht automatisch zu jemandem, der Zinsen vermeiden will. In der Türkei liegt der Marktanteil der islamischen Banken bei unter fünf Prozent. 95 Prozent der Finanzgeschäfte werden konventionell abgewickelt. Ich vermute, dass das bei den Muslimen in der Bundesrepublik nicht grundsätzlich anders ist. Viele scheinen sich eher für Konsumenten-Produkte wie die islamische Finanzierung von Immobilien oder für Scharia-konforme Versicherungsprodukte zu interessieren.

dpa