S&P straft auch Euro-Rettungsfonds ab
Europas Waffe gegen die Schuldenkrise verliert wohl ein bisschen Schlagkraft. Nach Frankreich und Österreich erwischt es den Euro-Rettungsfonds: Die Ratingagentur S&P schlägt wieder zu.
17.01.2012
Von Max-Morten Borgmann und Andreas Hoenig

Ende der Erstklassigkeit: Nach Frankreich und Österreich hat auch der milliardenschwere Euro-Rettungsfonds EFSF die höchste Kreditwürdigkeit verloren. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's stufte am Montagabend die Bonität von Bestnote "AAA" auf "AA+" zurück und begründete den Schritt damit, dass französische und österreichische Anleihen ihre Top-Bonität verloren hätten. Anleger orientieren sich an dieser Einstufung und könnten künftig deshalb etwas höhere Zinsen für ESFS-Anleihen verlangen.

Mit Spannung wird nun erwartet, zu welchen Konditionen sich der Rettungsfonds am Dienstag am Geldmarkt finanzieren kann.

Diesen Schritt hatten die Finanzmärkte nach der Abstufung von neun Euro-Staaten, die für den Fonds bürgen, am Freitag durch S&P erwartet. Die europäischen Börsen und Finanzmärkte hatten insgesamt gelassen auf die Neubewertung reagiert, allerdings waren die Handelsplätze in den USA am Montag geschlossen. Frankreich besorgte sich zu sehr günstigen Zinsen frisches Kapital.

Demonstrative Gelassenheit in Brüssel und Berlin

EFSF-Chef Klaus Regling sowie Eurogruppen-Chef, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, demonstrierten am Montagabend nach der Abstufung des Fonds Gelassenheit. Sie beteuerten in Luxemburg die Handlungsfähigkeit des Fonds. Dieser verfüge über ausreichende Mittel, um den Verpflichtungen nachzukommen.

[listbox:title=Mehr im Netz[Vorschlag EU-Kommission vom November 2011##CNBC-Interview Papademos]]

Außerdem sei der Fonds nur durch eine der drei großen US-Ratingagenturen herabgestuft worden. Juncker erklärte weiter, die Entscheidung von S&P werde das Ausleihvolumen des Fonds in Höhe von 440 Milliarden Euro nicht schmälern.

Bei einer Verstärkung der Kreditwürdigkeit des Fonds sei eine Rückkehr zum Toprating möglich, teilte S&P mit. Andererseits droht bei einer weiteren Herabstufung der Kreditwürdigkeit der EFSF-Mitglieder auch eine weitere Herabstufung des EFSF.

Die Bundesregierung betonte bereits vor der Herabstufung, die Finanzierung des Fonds sei sicher. Seine Ausstattung müsse nicht vergrößert werden.

EU rät zu mehr Abstand von Ratingagenturen

Möglicherweise kommen auf den Fonds nun aber für das leicht höher eingeschätzte Risiko auch leicht höhere Zinszahlungen an Investoren in EFSF-Anleihen zu.

Um das zu verhindern, müsste entweder der Umfang möglicher Hilfskredite reduziert werden oder die Euro-Länder müssten den Fonds mit höheren Garantien absichern. Spannung verspricht, zu welchen Konditionen sich der EFSF an diesem Dienstag finanzieren kann.

EZB-Präsident Mario Draghi sprach sich im EU-Parlament für mehr Abstand zu Bewertungen von Ratingagenturen aus. Man sollte den Bewertungen nicht so hohes Gewicht einräumen, sagte Draghi im Europaparlament in Straßburg.

Regulatoren, Investoren und Banken sollten sich unabhängiger von diesen Bewertungen machen, sagte der Italiener. In der Europäischen Zentralbank EZB herrsche diese Einstellung bereits seit einigen Jahren.

Schäuble: S&P hat unsere Maßnahmen nicht richtig begriffen

Aus Sicht der Bundesregierung muss sich durch den Bonitätsverlust nichts am Volumen des EFSF ändern. "Es gibt (...) keinerlei Handlungsbedarf", erklärte die Regierungssprecher in Berlin. Schon gar nicht beim dauerhaften Rettungsschirm ESM, der bereits im Juli und damit ein Jahr früher starten soll, und wegen seiner anderen Finanzierungsstruktur mit Barkapital robuster aufgebaut ist.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht keine Notwendigkeit für höhere Absicherungen. "Für das, was der EFSF in den nächsten Monaten an Aufgaben hat, reicht der Garantierahmen bei weitem aus", sagte er im Deutschlandfunk. Das S&P-Urteil zweifelt Schäuble aber an. "Ich glaube nicht, dass Standard & Poor's wirklich begriffen hat, was wir in Europa schon auf den Weg gebracht haben."

Auch die EU-Kommission lässt kein gutes Haar an dem Schritt. "Ich denke, die Ratingagenturen sollten die beispiellosen Maßnahmen der Regierungen besser miteinrechnen", kritisierte Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Ein Kommissionssprecher monierte, der Entzug der Bestnote käme zu einem "eigenartigen" Zeitpunkt, da es vergangene Woche gute Nachrichten gegeben habe.

Aufatmen in Frankreich

Trotz des "AAA"-Verlustes konnte sich die zweitgrößte Euro-Volkswirtschaft 8,59 Milliarden Euro frisches Geld an den Finanzmärkten leihen. Die Zinsen für kurzfristige Geldmarktpapiere sanken sogar im Vergleich zur letzten Versteigerung.

Die erste richtige Nagelprobe kommt allerdings am Donnerstag, wenn Paris mehr als neun Milliarden Euro bei Investoren einsammeln will. Dann geht es um Anleihen mit einer längeren Laufzeiten, die mehr Vertrauen in die langfristige Bonität eines Landes erfordern.

Die Ratingagentur Moody's kündigte an, Frankreich vorerst nicht herabzustufen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Moody's-Bericht berichtete. Eine Entscheidung werde im Rahmen einer Neubewertung der Eurostaaten bis Ende März fallen. Die dritte große US-Ratingagentur Fitch hatte am vergangenen Dienstag bekanntgegeben, es sei binnen Jahresfrist nicht mit einem Verlust der Spitzenbonitätsnote "AAA" zu rechnen.

Schwere Woche für Griechenland

Eine weitere schwere Woche steht Griechenland ins Haus: Die internationalen Finanzninspektteure prüfen wieder einmal den Fortschritt bei Sparmaßnahmen. Zudem gehen die Verhandlungen mit den Gläubigern über den Schuldenschnitt in die entscheidende Phase.

Die Gespräche mit dem Internationalen Bankenverband IIF sollten wohl am Mittwoch fortgesetzt werden, hieß es im Finanzministerium. Ein Abschluss steht aber noch in den Sternen: "Wir hoffen bis zum Ende dieser Woche. Sicher ist aber nichts." Vor allem Hedgefonds weigern sich Berichten zufolge, bei der Umschuldung mitzumachen.

dpa