Merkels Devise in Sachen Rating: Gelassenheit
Die Regierung will den Verlust der Topbonität für Frankreich nicht dramatisieren. Die Abstrafung durch S&P lässt sich aber nicht ganz so leicht abtun, wie es die schwarz-gelbe Koalition nun versucht. Denn das Konstrukt der Euro-Rettung steht jetzt auf noch wackligeren Füßen.
15.01.2012
Von Georg Ismar

Wie werden die Börsen reagieren? Panisch? Oder eher entspannt? Diese Frage treibt die schwarz-gelbe Koalition nach der Abwertung von neun Euro-Ländern durch den US-Ratingriesen Standard & Poor's (S&P) um. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt als Devise aus: Gelassenheit. So sagt sie, das sei nur das Urteil einer von drei Ratingagenturen. Die Finanzexperten der Union betonen, die Abwertung Frankreichs sei zu erwarten und daher von den Märkten längst eingepreist gewesen. In der FDP erhofft man sich eine "heilsame Wirkung" für Sparanstrengungen von Schuldensündern.

Aber: Die Abstrafung durch S&P lässt sich nicht ganz so leicht abtun, wie es die schwarz-gelbe Koalition nun versucht. Denn das Konstrukt der Euro-Rettung steht jetzt auf noch wackligeren Füßen. Und auf Deutschland könnten noch höhere Kosten zukommen. Die Wut ist groß ob des Rundumschlags. CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs spricht von "Attacken auf den Euro" aus den USA. Der CDU-Europa-Politiker Elmar Brok sagt in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die Abstufung käme in der Konsequenz "fast einem Währungskrieg" gleich.

Was bedeutet dies für die Rettungsbemühungen, etwa den EFSF? Der Rettungsfonds muss sich am Markt das Geld für hilfsbedürftige Euro-Länder beschaffen, was bei einer Abstufung der Kreditwürdigkeit von tragenden Säulen wie Frankreich teurer werden kann. S&P droht nun mit dem Entzug der Bestnote AAA für den EFSF. Damit der Fonds 440 Milliarden Euro verleihen kann, müssen die Euroländer Garantien in Höhe von 780 Milliarden Euro bereitstellen. Merkel glaubt nicht, dass Deutschland wegen höherer Zinsen mehr als die vom Bundestag beschlossenen Garantien von 211 Milliarden Euro beisteuern muss.

"Das Rating hat nicht zwangsläufig eine Zinserhöhung zur Folge."

Der FDP-Finanzexperte Otto Fricke betont: "Das Rating hat nicht zwangsläufig eine Zinserhöhung zur Folge." Wie Merkel verweist er darauf, dass die Zinsen für den EFSF ohnehin recht hoch seien, also von den Finanzmärkten die Herunterstufung Frankreichs, aber auch Österreichs längst miteinberechnet worden sei. "Der EFSF ist auch schon in der Vergangenheit immer bewertet worden nach dem stärksten schwachen Stück", sagt Fricke mit Blick auf Frankreich.

Merkel betont, mit der Ratingagentur Fitch habe zudem gerade erst eine der drei dominierenden Kredit-Beurteiler mitgeteilt, Frankreich werde bei ihr wohl seine Bestnote "AAA" in diesem Jahr behalten. Die Uneinigkeit der Urteile wird in Berlin als vorteilhaft empfunden, dass die große Panik an den Börsen ausbleiben könnte. Die SPD hingegen fordert ein Aus für sämtliche Steuersenkungspläne, da auf Deutschland womöglich nun höhere Belastungen zukommen könnten.

Denn durch den Verlust eines AAA-Frankreich, wächst der Druck auf Deutschland als "Musterknabe" und Hauptgeldgeber. "Das Hauptproblem ist, dass die Länder, die mit immer neuen Krediten retten wollen, nun selbst an ihre Grenzen stoßen", sagt Regierungsberater Clemens Fuest. Im Extremfall - bei einer Insolvenz Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien zusammen - kämen laut Ifo-Institut auf den deutschen Staat Zahlungsverpflichtungen von bis zu 564 Milliarden Euro zu. Weil die deutschen Risiken steigen könnten, beziffert Fuest die Chance, dass auch Deutschland seine Topbonität verlieren könnte, auf 50:50. Dann würde es deutlich teurer, sich Geld zu besorgen. 

Das Merkozy-Tandem könnte für Merkel komplizierter werden

Das Tandem mit Frankreich ("Merkozy") könnte für Merkel in den nächsten Wochen komplizierter werden, da sich Präsident Nicolas Sarkozy schon im Wahlkampf befindet. Zugleich könnte aber nun der Druck so groß sein, dass Frankreich dem deutschen Konsolidierungskurs folgt. Merkel nutzt daher am Samstag nach einer CDU-Vorstandsklausur in Kiel das S&P-Votum auch für ihre eigentliche Mission. Sie fordert, der Pakt für eine strenge Haushaltsdisziplin und Schuldenbremsen in den 17 Euro-Staaten müsse nun erst Recht möglichst rasch kommen.

Völlig unklar ist, wie trotz harter Sparkurse in Schuldenländern Wachstum erzeugt werden könnte, um der Schuldenpirale zu entrinnen. Die Rolle des Sparwächters birgt daher auch die Gefahr anti-deutscher Ressentiments. Deutschland dürfe sich angesichts der Geschichte nicht oberlehrerhaft aufspielen, mahnte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD).

Merkel: Der dauerhafte Rettungsschirm ESM muss schnell kommen

Um von Rating-Urteilen unabhängiger zu werden, fordert Merkel, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM, der den EFSF ablösen soll, schnell kommen muss. Denn der ESM wird über einen festen Kapitalstock verfügen und muss sich das Geld nicht am Markt leihen. Der ESM soll 500 Milliarden Euro stark sein und bis Juli kommen. Nur: Frankreich könnte es nun schwerer haben, seinen Anteil aufzubringen. Deutschland zahlt 21,7 Milliarden Euro und garantiert weitere 168,3 Milliarden.

Angesichts der Probleme ist die Forderung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach einer europäischen Ratingagentur eher ein Nebenkriegsschauplatz - denn der Aufbau ist schwierig. Merkel will aber nun prüfen, ob die Folgen der Urteile per Gesetz aufgeweicht werden können. Etwa ob es sinnvoll ist, dass für Versicherer bei Abstufungen der Ankauf einiger Staatsanleihen nicht mehr möglich ist. Linke-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht wirft Merkel vor, statt die Macht der Ratingagenturen zu brechen, benutze sie deren Urteile, "um den Ländern in ganz Europa brutale Kürzungsprogramme aufzuzwingen".

dpa