Eurokrise: Die Retter stoßen selbst an ihre Grenzen
Nach Ansicht des Regierungsberaters Clemens Fuest zeigt die Abwertung der Kreditwürdigkeit Frankreichs, dass nun die Retter selbst an ihre Grenzen stoßen. "Dieser Prozess wird weitergehen, wir stehen vor einem wirtschaftlich wahrscheinlich nicht so tollen Jahr und das wird auch Deutschland und Frankreich nicht unberührt lassen", sagte der an der Universität Oxford lehrende Wirtschaftsprofessor. Der Berater von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezifferte die Chance, dass daher auch Deutschland seine Topbonität verlieren könnte, auf 50:50.
15.01.2012
Die Fragen stellte Georg Ismar

Herr Fuest, muss Deutschland nach der Abwertung für Frankreich damit rechnen, mehr Geld für den Euro-Rettungsschirm EFSF bereit stellen zu müssen?

Clemens Fuest: "Man muss sehen, dass sich nun das ganze Umfeld verändert, viele AAA-Staaten gibt es ja nicht mehr. Österreich ist wegen seiner Ausdehnung nach Osteuropa unter Druck geraten, in Frankreich ist die Verpflichtung auf einen Sparkurs bisher nicht so stark wie in anderen Ländern. Die Folgen für den EFSF sehe ich aber nicht so dramatisch. Was da passieren kann, sind etwas höhere Refinanzierungskosten, die treffen dann im Prinzip auch Deutschland. Ob das tatsächlich so kommt, ist aber noch unklar, weil ja die Regeln eigentlich besagen, dass die Finanzierungskosten von den Kreditnehmern, also Ländern wie Irland oder Portugal, getragen werden. Es könnte daher sein, dass die Finanzierungskosten für die Kreditnehmer etwas ansteigen. Da sie aber selber teilweise sehr, sehr hohe Refinanzierungskosten am normalen Kapitalmarkt hätten, sind die so immer noch besser bedient."

Also alles kein Problem?

Fuest: "Das Hauptproblem ist, dass die Länder, die mit immer neuen Krediten retten wollen, nun selbst an ihre Grenzen stoßen. Dieser Prozess wird weitergehen, wir stehen vor einem wirtschaftlich wahrscheinlich nicht so tollen Jahr und das wird auch Deutschland und Frankreich nicht unberührt lassen."

Dann muss also auch Deutschland weiter mit einem Verlust seiner Topbonität rechnen?

Fuest: "Die Chancen stehen 50 zu 50. Wenn sich die anderen Länder rasch erholen, gibt es eine Chance, dass Deutschland noch einmal drum herum kommt. Man muss aber auch sehen, so ein fürchterliches Drama wäre das auch nicht. Die USA sind ja auch herabgestuft worden. Deutschland würde dann etwas weniger als der ganz sichere Hafen angesehen werden. Und der Außenwert des Euro könnte stärker unter Druck kommen. Bei einem Szenario, wo selbst Deutschland nicht mehr seine Schulden zurückzahlen könnte, würde jedermann erwarten, dass die Europäische Zentralbank auf den Plan tritt und von der geldpolitischen Seite Entlastung geben wird, so wie in den USA oder in Großbritannien. Es wird sicher nicht zum Staatsbankrott kommen."

"Wir haben nicht einen vorübergehenden Abschwung,
sondern einfach ein Schrumpfen,
das unvermeidlich ist"

 

Nun spielen Frankreich und Deutschland nicht mehr auf Augenhöhe. Haben Sie Sorgen, dass das Tandem nun nicht mehr funktioniert?

Fuest: "Es besteht nun sicher eine gewisse Asymmetrie. Aber wir haben ja auch eine andere Asymmetrie, die darin besteht, dass Deutschland sehr, sehr stark drängt auf einen Konsolidierungskurs in Europa. In Frankreich aber ist die politische Unterstützung dafür einfach nicht da. Zwar steht die aktuelle Regierung dahinter, aber der Konsens, den wir doch in Deutschland haben, den gibt es in Frankreich nicht. Daher könnte das neue Rating in Frankreich positiven Druck entfalten, vielleicht doch stärker auf die deutsche Linie der Konsolidierung einzuschwenken."

Reicht denn Sparen allein aus? Müsste nicht vielmehr auch das Wachstum in europäischen Schuldenländern angekurbelt werden?

Fuest: "Ja, das ist richtig, aber in den Schuldenländern haben wir eine Situation, die nicht tragfähig ist. Die Konsumniveaus waren auf Pump finanziert und dahinter stand nicht die Wirtschaftskraft, die das auch aufrecht erhalten kann. Das bedeutet, dass wir hier nicht einen vorübergehenden Abschwung haben, sondern einfach ein Schrumpfen, das unvermeidlich ist. Ein Schrumpfen in den Konsumniveaus, auch im Bruttoinlandsprodukt, weil diese auf Pump finanzierten Aktivitäten etwa im Bausektor nicht nachhaltig waren. Man kann daher nicht mit schuldenfinanzierter Ausgabenpolitik weiter dagegen anfinanzieren. Es wäre etwas anderes, wenn man mal einen vorübergehenden Abschwung hat, dann kann man mal ein bisschen mehr Schulden machen. Was sicher stützend wirken kann, ist die geldpolitische Seite. Wir sehen ja, dass die EZB die Geldschleusen aufmacht. Wenn der Euro dadurch etwas abwertet, wird das auch bei der Wettbewerbsfähigkeit etwas helfen."

dpa