US-Soldaten in Afghanistan: "Menschwürde gilt für jeden"
Michael Rohde (38) ist seit September Militärpfarrer an der Hochschule der Bundeswehr und des Bundeswehr-Krankenhauses in Hamburg. Der evangelische Pfarrer der braunschweigischen Landeskirche war zuvor dreieinhalb Jahre lang Militärseelsorger für die Bundeswehr-Standorte Holzminden und Höxter, deren Soldaten er auch nach Afghanistan begleitete. Nach den Leichenschändungen durch US-Soldaten in Afghanistan sagt er, er persönlich habe ganz andere Erfahrungen mit amerikanischen Einsatzkräften gemacht.
14.01.2012
Die Fragen stellte Manfred Laube

Die weltweite Empörung über die Leichenschändung durch US-Soldaten ist groß. Wie konnte es zu einer solchen Tat kommen?

Michael Rohde: Viele der Soldatinnen und Soldaten stehen unter einer enormen körperlichen und psychischen Anspannung. Allerdings habe ich persönlich auch die Amerikanerinnen und Amerikaner als kompetente und auch ethisch reflektierte Menschen erlebt, für die eine solche Tat vollkommen undenkbar wäre. Solche Handlungen sind unabhängig von religiösen oder kulturellen Überzeugungen und Zusammenhängen vollkommen inakzeptabel. Sie sind abscheulich und verletzen die Menschenwürde. Über mögliche Ursachen will ich von hier aus nicht spekulieren.

Müssen wir mit der Befürchtung leben, dass eines Tages auch Soldaten der Bundeswehr in solche Skandale verwickelt werden?

Rohde: Ich diskutiere wie meine Kolleginnen und Kollegen in der Militärseelsorge auch im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts, der einsatzvorbereitenden Ausbildung und auch der Einsatzbegleitung mit den Soldatinnen und Soldaten intensiv ethische Themen. Dabei geht es auch um die Formulierung und Begründung eines eigenen Standpunktes. Wichtig ist mir dabei zu vermitteln, dass Menschenwürde für jeden gilt, auch für Menschen, die den Soldatinnen und Soldaten als sogenannte "insurgents" in Afghanistan mit Waffen entgegen treten.

Außerhalb des Lebenskundlichen Unterrichts bildet die Bundeswehr im Bereich "Innere Führung" und den daraus resultierenden Konsequenzen die Einsatz-Soldatinnen und -Soldaten meinem Eindruck nach intensiv aus. Aber man kann besonders in diesem Bereich nie genug tun, glaube ich.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine Mitschuld von Vorgesetzten oder sogar von allen, die den Krieg in Afghanistan verantworten?

Rohde: Es ist meiner Meinung nach aus der Ferne vollkommen unmöglich und falsch, Vorgesetzte zu verurteilen. Allerdings muss es - und so habe ich die Führung der amerikanischen Streitkräfte verstanden - eine lückenlose Aufklärung geben, und die Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem sollte identifiziert werden, wo gegebenenfalls noch weiter Ausbildungs- und Aufklärungsbedarf für die Soldatinnen und Soldaten in Fragen der Menschenwürde und dem Umgang mit anderen Kulturen besteht.

epd