Urteil: Kündigung eines HIV-Kranken ist rechtens
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilt: Die Kündigung eines Chemielaboranten in der Probezeit wegen dessen HIV-Infektion ist rechtens. Der Grund: Der Arbeitgeber darf bei der Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer ausschließen. Das ist kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gegen, verkündet das Gericht. Nun denkt der Kläger Sebastian F. über eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht nach.

Die fristgerechte Kündigung eines Chemielaboranten in der Probezeit wegen dessen HIV-Infektion war nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg rechtens. Die Kündigung durch den Arbeitgeber sei wegen der hohen Sicherheitsstandards des Medikamentenherstellers nicht willkürlich erfolgt. Wie bereits die erste Instanz wies auch das Landesarbeitsgericht am Freitag in Berlin zudem die Klage von Sebastian F. auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ab (AZ: 6 Sa 2159/11).

Das Landesarbeitsgericht ließ jedoch eine Revision zu. Sebastian F. erwägt nun nach Angaben des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) den Gang vor das Bundesarbeitsgericht. Das BUG hatte den Mann in dem Prozess als Beistand unterstützt.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann dem Arbeitgeber nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Auch das Kündigungsschutzgesetz finde wegen der Kürze der Anstellung keine Berücksichtigung. Insgesamt war der Mann nur etwa drei Wochen für das Pharma-Unternehmen tätig und anschließend etwa vier Monate lang arbeitslos.

Auch eine Entschädigung nach dem AGG stehe dem Chemielaboranten nicht zu

Auch eine Entschädigung nach dem AGG stehe dem Chemielaboranten nicht zu, urteilte das Landesarbeitsgericht. Dies gelte unabhängig davon, ob die HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle. Die Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers gerechtfertigt, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen.

Prozessvertreter des Klägers erklärten hingegen in der Verhandlung, eine Übertragung des HIV-Erregers auf die in dem Reinraum bearbeiteten Präparate sei faktisch ausgeschlossen. Auch müsse geprüft werden, ob mit einer HIV-Infektion nicht eine chronische Krankheit vorliege, die unter das Diskriminierungsverbot Behinderter im AGG falle. Das Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung erklärte im Anschluss an das Urteil, das Gericht habe allein anhand des Arbeitsrechts geurteilt. Der Sachverhalt müsse jedoch auch aus medizinischer Sicht und aus der Perspektive des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beleuchtet werden.

Die Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe, Silke Klumb, bedauerte das Urteil. Zugleich begrüßte sie aber die Möglichkeit, das Bundesarbeitsgericht anzurufen. "Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, diese Menschen unter den Schutz des AGG zu stellen", sagte sie.

Zu einem gleichlautenden Urteil 2011 bereits das Arbeitsgericht gekommen

Der seinerzeit 24-Jährige war bei einem Berliner Pharma-Unternehmen als chemisch-technischer Assistent angestellt und arbeitete in einem sogenannten Reinraum zur Herstellung von Medikamenten. Der Arbeitgeber hatte festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen dort nicht beschäftigt werden dürfen. Nachdem eine Untersuchung durch den Betriebsarzt seine HIV-Infektion offenbarte, wurde dem Mann fristgerecht in der Probezeit gekündigt.

Zu einem gleichlautenden Urteil war im August vergangenen Jahres bereits das Arbeitsgericht gekommen. Dagegen war der Chemielaborant mit Unterstützung der Deutsche Aids-Hilfe in Berufung gegangen. Mehrere Verbände und Organisationen hatten zudem begleitend zu dem Prozess darauf gedrungen, chronische Krankheiten als Diskriminierungsgrund im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festzuschreiben.

epd