Rudi Cerne: "Bei Pirouetten wird mir schwindlig"
Der Ex-Kufen-Star übers Eislaufen, zehn Jahre als Moderator von "Aktenzeichen XY", den Spagat zwischen Sport und Mord und seine Beinahe-Verhaftung als vermeintlicher Terrorist.
11.01.2012
Die Fragen stellte Cornelia Wystrichowski

Er ist der Mann für Sport und Mord: Bekannt wurde Rudi Cerne einst als Eiskunstläufer – er holte mehrere deutsche Meistertitel, schrammte 1984 knapp an einer olympischen Medaille vorbei und war jahrelang mit der Schlittschuhrevue "Holiday on Ice" auf Tournee. Nach seiner Profikarriere ging Cerne als Sportreporter zum Fernsehen, er moderiert unter anderem die "ZDF Sportreportage". Seit zehn Jahren präsentiert das ehemalige Kufen-Ass außerdem die Fahndungssendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst", jenen ZDF-Klassiker, den Gangsterjäger Eduard Zimmermann 1967 erfand – an diesem Mittwoch läuft um 20.15 Uhr im ZDF die Jubiläumsausgabe. Der 53-Jährige aus Wanne-Eickel ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter, er lebt im Rhein-Main-Gebiet.

Herr Cerne, Sie waren früher erfolgreicher Eiskunstläufer. Wann hatten Sie das letzte Mal Schlittschuhe an?

Rudi Cerne: Das war vor etwa einem Jahr, als ich fürs ZDF einen dreiminütigen Beitrag übers Schlittschuhlaufen gemacht habe. Da ich meine Schlittschuhe schon vor Jahren entsorgt habe, musste ich mir extra neue kaufen. Leider merkt man beim Eiskunstlauf sehr schnell, dass man älter wird: Einfache Sprünge kriege ich noch hin, aber beim Pirouettendrehen wird mir schwindlig.

Im Anschluss an Ihre Wettkampfkarriere traten Sie bei der Eisrevue "Holiday on Ice" auf. Was empfinden Sie heute, wenn Sie sich auf Fotos von damals im Glitzerkostüm sehen?

Cerne: Lieber gucke ich mir Fotos aus meiner Amateurzeit an, als ich bei den Meisterschaften erfolgreich war. Amateur- und Profisport waren damals ja noch strikt getrennt, und ich habe als Amateur viel gearbeitet, aber kaum Geld verdient. Mit dem lukrativen Vertrag für "Holiday on Ice" habe ich dann vier Jahre lang den Lohn für meine großen Anstrengungen erhalten.

Nach Ihrer Eis-Zeit wurden Sie Sportreporter, moderierten unter anderem das "Aktuelle Sportstudio". Als Ihnen dann angeboten wurde, "Aktenzeichen XY" zu übernehmen, sollen Sie das zunächst für einen Streich mit versteckter Kamera gehalten haben ...

Cerne: Ja, aber das kam nicht von ungefähr. "Verstehen Sie Spaß?" hatte vorher schon zweimal die Fühler nach mir ausgestreckt, das war mir zugetragen worden. Deshalb hatte ich Angst, dass mitten in den Verhandlungen auf einmal Frank Elstner um die Ecke kommt und sagt: "Ha, ha, ha!" Aber ich habe dann rasch gemerkt, dass es Ernst war. Viele Kollegen haben mir damals übrigens abgeraten, die dachten, dass Sport und Mord nicht zusammenpassen.

"Du musst dir

Scheuklappen anschaffen"

 

Vom Doppelaxel zum Doppelmord, das ist ja auch ein ganz schöner Schritt. Wie nahe gehen Ihnen die brutalen Verbrechen?

Cerne: Ich wundere mich manchmal über mich selbst, aber ich kann nach wie vor nach jeder Ausgabe ruhig schlafen. Ich befolge im Prinzip den guten Rat von Polizisten: Du musst dir Scheuklappen anschaffen und nach der Sendung einen mentalen Schlussstrich ziehen.

Welche Fälle sind Ihnen dennoch an die Nieren gegangen?

Cerne: Den Fall der ermordeten achtjährigen Levke Straßheim fand ich entsetzlich, oder den Mord an Maria Bögerl. Und dann gab es einen Fall, da ist eine junge Ärztin mit ihrem Mann immer joggen gegangen – sie ist im Park links herum gelaufen und er rechts herum. Und dabei wurde sie am helllichten Tag als Zufallsopfer niedergestochen. Bis der Mann kam, hat sich ein Paar um die Frau gekümmert, sie starb in den Armen dieser Leute und sagte als Letztes: "Bitte sagen Sie meinem Mann, dass ich ihn liebe." Da musste ich echt schlucken im Studio.

Rund 40 Prozent der in "Aktenzeichen XY" vorgestellten Fälle werden aufgeklärt. Welche Fälle haben besonders gute Chancen?

Cerne: Wenn ich das wüsste! Unlängst hatten wir einen Fall, bei dem uns das BKA um Mithilfe bat, da wurde ein Mann gesucht, der seine krankhaften sexuellen Handlungen an einem Säugling ins Internet stellte. Da dachte ich, dass wir nach sechs erfolgreichen Fahndungen in ähnlichen Fällen sofort Hinweise bekommen, die zur Lösung beitragen. 400 Hinweise hat das BKA nach der Ausstrahlung des Falls bekommen. Der alles entscheidende Tipp war aber leider nicht dabei. Dagegen wurde in einer anderen Sendung nach 29 Jahren der Mord an Lolita Brieger geklärt. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten nie aufgegeben, und so haben wir den Fall im August 2011 in die Sendung genommen – und tatsächlich hat sich ein Mitwisser des Täters ein Herz gefasst und bei der Polizei angerufen.

"Ich bin von

Natur aus vorsichtig"

 

Wie schützen Sie sich vor Verbrechen?

Cerne: Ich bin von Natur aus ein vorsichtiger, umsichtiger Mensch und fühle mich durch viele Dinge, die mir geraten wurden, einfach bestätigt. Auf den Rat eines Kommissars hin habe ich einen polizeidienstlichen Service in Anspruch genommen, da kommt ein Beamter zu ihnen nach Hause und macht einen Sicherheitscheck. Wir haben ein kleines bescheidenes Heim, der sagte gleich: "Ihre Tür vorne ist in Ordnung, aber die Terrassentür, die huste ich Ihnen auf." Oder dass ich eine Leiter an die Garage angelehnt hatte, mit der ein Einbrecher aufs Dach hätte klettern können – ein Amateurfehler.

Waren Sie trotz aller Vorsicht schon mal Opfer einer Straftat?

Cerne: Ja, mir ist in den 80er Jahren ein Auto geklaut worden, da war ich mit "Holiday on Ice" unterwegs in Südfrankreich. Das war an einem Sonntag mit zwei Vorstellungen, die Täter wussten genau, dass wir alle auf dem Eis waren, und haben genau den richtigen Moment abgepasst. Also ein echter Klassiker.

Und wie war das damals, als Sie selbst für einen Verbrecher gehalten wurden?

Cerne: Das war am 27. Dezember 1978 – den Tag habe ich nicht vergessen. Man hat mich mit Christian Klar verwechselt, der damals einer der meistgesuchten Terroristen war. Ich bin von München nach Düsseldorf geflogen, und irgendjemand auf dem Flughafen in München glaubte, in mir Klar erkannt zu haben – es gab tatsächlich ein Fahndungsfoto, wo er mir sehr ähnlich sah. Beim Verlassen des Flugzeugs kam plötzlich ein Uniformierter mit einer Pistole auf mich zu und sagte: "Nehmen Sie die Hände hoch!" Dann wurde ich abgetastet, das ganze Programm, und ich bin ohne zu murren in ein Büro mitgegangen. Nach etwa 20 Minuten hatte sich die ganze Sache zum Glück aufgeklärt und ein Polizist hat mir sogar noch geholfen, mein Gepäck vom Band abzuholen.


Cornelia Wystrichowski ist freie Medienjournalistin in Berlin.