Rheinische Landessynode: Kein "Business as usual"
Die Rheinische Landessynode tagt im Zeichen des Finanzskandals bei dem Beihilfe- und Bezügezentrum (bbz). Nach dem Millionenskandal bei einem Unternehmen der evangelischen Kirche in Bad Dürkheim soll sich die Zukunft der Firma bis Mitte des Jahres entscheiden.
10.01.2012
Von Ingo Lehnick

In Bad Neuenahr geht in diesen Tagen scheinbar alles seinen normalen Gang. Wie jedes Jahr berät in dem beschaulichen rheinland-pfälzischen Kurort in der zweiten Januarwoche die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland über Wohl und Wehe der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Doch die 63. ordentliche Tagung der rheinischen Landessynode ist keine gewöhnliche: Die 219 Mitglieder des Kirchenparlaments müssen sich diesmal mit einem handfesten Finanzskandal befassen.

Entsprechend zerknirscht zeigte sich Präses Nikolaus Schneider in seinem jährlichen Rechenschaftsbericht vor der Synode, in der die 38 Kirchenkreise zwischen Emmerich und Saarbrücken vertreten sind. "Auch kircheneigene Firmen genügen nicht den von uns erkannten Wegweisungen Gottes für ein gerechtes Wirtschaften", stellte er bitter fest.

Rheinische Kirche will bis Juni über Skandal-Firma entscheiden

Nach dem Millionenskandal bei einem Unternehmen der evangelischen Kirche in Bad Dürkheim soll sich die Zukunft der Firma bis Mitte des Jahres entscheiden. Bis Ende Juni müsse klar sein, wie es mit dem Beihilfe- und Bezügezentrum (bbz) weitergehe, das durch eine dubiose Geldanlage in Finanznot geraten war, heißt es in einem am Montagabend in Bad Neuenahr veröffentlichten Zwischenbericht der Evangelischen Kirche im Rheinland. Als Konsequenz aus dem Vorfall soll die Beteiligung an Unternehmen künftig klarer organisiert werden.

[listbox:title=Mehr im Netz[Die Landessynode der EKiR##Manuskript des Berichts von Nikolaus Schneider (PDF)##Beihilfe- und Bezüge-Zentrum (bbz)]]

Die Frage sei nun, ob die über 1.000 Kunden des bbz eine Sanierung durch neue Verträge mit höheren Preisen mittragen, erklärte der oberste Jurist der rheinischen Kirche, Christian Drägert. "Wenn dieses nicht der Fall ist, muss über eine geordnete Abwicklung der Firma nachgedacht werden, da eine weitere Finanzierung eines defizitären Unternehmens nicht zu verantworten ist."

Die rheinische Kirche hatte das Unternehmen mit 20 Millionen Euro gestützt, um es vor der Pleite zu retten. Eine Insolvenz hätte den Schaden vollständig den Kunden aufgebürdet, erläuterte Drägert. Zudem stehe die rheinische Kirche als Alleingesellschafterin auch in der Verantwortung für die rund 90 Mitarbeitenden des Unternehmens.

Die bbz-Kunden stammen überwiegend aus der kirchlichen und öffentlich-rechtlichen Verwaltung, darunter Banken, Kliniken, Kommunen und Medienunternehmen. Die GmbH bewegt bei den Lohn-, Gehalts- und Behilfeabrechnungen für diese Kunden jedes Jahr dreistellige Millionenbeträge.

"Bei den Prüfungen gibt es keine Tabus"

Wegen der offenbar betrügerischen Geldanlage, die den Skandal auslöste, hatte die rheinische Kirche im Oktober nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten Strafanzeige gegen mehrere Finanzvermittler gestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen neun Beschuldigte wegen Betruges. Parallel laufen disziplinarrechtliche Untersuchungen der Kirche, sie betreffen die kirchliche Aufsicht über das bbz.

"Die Fragen, wer was wann gewusst hat, was hätte wann erkannt werden müssen und warum nicht oder nur mit erheblicher Zeitverzögerung gehandelt wurde, befinden sich immer noch im Ermittlungsstadium", sagte Drägert vor der Landessynode, dem obersten Leitungsorgan der rheinischen Kirche. Die Kirchenleitung werde aber Konsequenzen für die Beteiligung an Gesellschaften und für den Umgang mit Aufsicht ziehen. Dazu würden auch externe Experten herangezogen. Bei den Prüfungen werde es "keine Tabus" geben.

Soll eine Kirche wirtschaftliche Unternehmen betreiben?

Die Vorgänge beim bbz hätten absolut nichts mit dem sonstigen Finanzgebaren der rheinischen Kirche zu tun, stellte Schneider am Rande der Synode klar. In den 743 Gemeinden und 38 Kirchenkreisen im Rheinland sowie auf der landeskirchlichen Ebene werde sehr verantwortlich mit Geld umgegangen. Auch an den Fonds, denen die Landeskirche ihr Geld anvertraut, ist laut Schneider nichts auszusetzen: "Das ist zurückhaltend, das ist konservativ, und das entspricht den Ethik- und Nachhaltigkeitsfiltern, die wir erwarten."

Auf den Prüfstand kommt jetzt auf jeden Fall der Umgang mit Firmen, die der Kirche gehören. "Es sind Stimmen laut geworden, ob eine Kirche solche wirtschaftlichen Unternehmen betreiben soll", erläuterte der Präses. "Das Thema steht an." In der Synode meldete sich dazu auch ein Vertreter der evangelischen Jugend mahnend zu Wort. Nach den Erfahrungen mit der bbz und den zahlreichen Negativschlagzeilen müsse dringend das Controlling verbessert werden.

Wenn das Ergebnis kircheninterner Disziplinarverfahren vorliegt, wird die Synode aller Voraussicht nach auch über mögliche personelle Verantwortung sprechen müssen. "Ohne Ansehen der Person" werde untersucht, versprach Schneider. Er hofft, dass die Kirche das Problem schnell ad acta legen und sich wieder anderen Aufgaben zuwenden kann.

In seinem Bericht warb er schon mal um breite Unterstützung für zentrale Vorhaben wie eine übergreifende Personalplanung zur Sicherung kirchlicher Berufe und eine Reform der zerklüfteten Verwaltungsstruktur. Die Synode dürfe sich von der bbz-Affäre nicht lähmen lassen, mahnte ein anderes Mitglied der Kirchenleitung.

epd