Die Nordkirche macht sich vereint auf den Weg
Der Beschluss steht: Die Landeskirchen in Norddeutschland fusionieren. Viele fragen sich nun, was die neue Nordkirche für die einzelnen Kirchengemeinden bedeutet.
07.01.2012
Von Benjamin Lassiwe

"Großer Gott, wir loben Dich!", sangen die Mitglieder der Verfassunggebenden Synode im großen Tagungssaal der Yachthafen-Residenz in Warnemünde. Gerade hatte Präses Heiner Möhring das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben: Mit großer Mehrheit wurde die Gründung der neuen Nordkirche beschlossen. Ab Pfingsten 2012 wird es nur noch eine einzige Landeskirche in Norddeutschland geben – von Usedom bis Helgoland.

"Die Gemeinde vor Ort entscheidet" ...

Und auch auf der Insel Poel. Das kleine Ostseeeiland bei Wismar ist der Pfarrbezirk von Mitchell Grell. Der in Iowa aufgewachsene Amerikaner kam nach der Wende 1990 nach Mecklenburg-Vorpommern – und spürt es manchmal gleich doppelt, auf einer Insel zu sein. Nur ein kleiner Teil der Poeler Bevölkerung gehört der evangelischen Kirche an. Die anderen bilden das große Meer um die Gemeinde herum – auch wenn sie am kirchlichen Leben interessiert sind: Immerhin rund 80 Prozent der Schüler aus Poel nehmen am Religionsunterricht teil, und auch die Spendenbereitschaft sei hoch.

Was nun ändert sich für eine Gemeinde wie Poel durch die neue Nordkirche? "Was Glaube und Kirche ist, entscheidet sich in der örtlichen Gemeinde, und die bleibt vor Ort", meint Pommerns Bischof Hans-Jürgen Abromeit. Auch Mecklenburgs Bischof Andreas von Maltzahn sagte kürzlich vor Journalisten, dass sich für den Alltag in der Gemeinde nur wenig ändern werde.

Immer dann, wenn größere Projekte anstehen, werden auch die Gemeindeglieder in einer Kirchengemeinde wie Poel spüren, dass die eigene Landeskirche größer geworden ist: Pastor Grell hofft für seine Arbeit etwa auf die Unterstützung durch die Dienste und Werke der nordelbischen Kirche und eine größere Stabilität und Vielfalt der neuen Kirche.

... auch wenn sich manches ändert

Doch auch vieles andere wird künftig gemeinsam geschehen: So verweist der mecklenburgische Oberlandeskirchenrat Andreas Flade darauf, dass es in Zukunft ein gemeinsames Beiheft zum Evangelischen Gesangbuch geben soll. Denn bislang sind in den drei Landeskirchen verschiedene Ausgaben, und damit auch verschiedene Regionalteile des evangelischen Gesangbuchs in Gebrauch. Mittelfristig geplant ist auch eine gemeinsame Kirchenzeitung für die neue Nordkirche.

Ungewohnt dagegen werden manche Begriffe sein: Aus den Kirchenvorständen und Gemeindekirchenräten in Nordelbien und Pommern werden Kirchgemeinderäte, wie die Leitungsgremien einer Kirchengemeinde heute schon in Mecklenburg heißen. Und weil sich besonders die Gemeinden in Vorpommern vor dem zunehmenden Rechtsextremismus fürchten, werden ihre Sitzungen in der Regel nicht öffentlich sein.

Einen ersten Höhepunkt des gemeinsamen Lebens der neuen Nordkirche wird es im August 2012 geben: Dann werden mehrere tausend Mitglieder von Kirchenchören aus der ganzen Nordkirche zu einem Chorfest in Greifswald erwartet. Und vielleicht dann auch ein lautes, gemeinsames "Großer Gott, wir loben Dich" ertönen lassen – das Lied, mit dem in Warnemünde alles begann.


Benjamin Lassiwe ist freier Journalist in Berlin.