In der historisch gewachsenen Kirchenlandschaft des deutschen Protestantismus stehen abermals Veränderungen an. Zu Pfingsten wird die Fusion von drei norddeutschen Landeskirchen mit sehr unterschiedlichem Gewicht und verschiedener theologischer Prägung zur Nordkirche wirksam. Die Verfassunggebende Synode sowie die Einzelsynoden machten am Samstag jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheiten den Weg frei. In Rostock-Warnemünde billigten die 266 Kirchenparlamentarier aus Nordelbien, Mecklenburg und Pommern mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Verfassung für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland samt erforderlichem Kirchengesetz.
Mit 2,3 Millionen Mitgliedern wird die Nordkirche, die sich von der dänischen bis polnischen Grenze erstreckt und drei Bundesländer umfasst, eine der mitgliederstärksten und flächenmäßig größten unter den dann noch 20 evangelischen Landeskirchen. Gut zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall gibt es erstmals einen Zusammenschluss von Kirchen aus Ost und West, von der Sondersituation Berlin abgesehen.
Günstiger Zeitpunkt
Dass die Neuordnung, die seit Herbst 2007 von den drei Kirchenleitungen betrieben wurde, so zügig erfolgen konnte, führen Beobachter auf den für die Fusionsinitiative gewählten günstigen Zeitpunkt zurück. Es wurde nicht so lange zugewartet, bis der Druck knapper Kirchenfinanzen zur Stunde der Wahrheit zwingt. Doch auch ein behutsamer Umgang der drei stolzen Landeskirchen miteinander dürfte eine nicht unwichtige Rolle für das Gelingen gespielt haben: Das Neue müsse so konstruiert werden, dass es das Alte zu bergen und zu beheimaten vermag, warb Bischof Gerhard Ulrich als Vorsitzender der gemeinsamen Kirchenleitung.
Bereits 2009 kam der Zusammenschluss der Thüringer Kirche und der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland mit rund 900.000 Mitgliedern zustande. Nach einer langen Anlaufphase beschlossen die beiden nahezu gleich großen Landeskirchen - die eine uniert, die andere lutherisch - die Fusion.
Eine erste Neugliederung der östlichen Kirchen lag damals schon fünf Jahre zurück. Zum 1. Januar 2004 hatten sich die Berlin-Brandenburgische Kirche und die Kirche der schlesischen Oberlausitz zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz mit derzeit rund 1,1 Millionen Mitgliedern zusammengeschlossen. Keinerlei Fusionsabsichten lässt bisher in Ostdeutschland die Evangelische Landeskirche Anhalts erkennen, mit gerade 43.000 Gemeindemitgliedern die kleinste unter den Landeskirchen.
Landesbischof Ralf Meister leitet den Rat der Konföderation
Ob die Nordkirche für Rückenwind zu weiteren Neugliederungen sorgen wird, ist gegenwärtig noch nicht abzusehen. Über die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen sagte der bisherige Vorsitzende, Landesbischof Friedrich Weber, kürzlich: "Noch ist offen, in welchen Bahnen es langfristig weitergeht, aber es ist ein starkes Bewusstsein entstanden, dass wir gemeinsam auftreten müssen." Seit Jahresbeginn leitet der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der schon Erfahrungen aus zwei durch Fusionen entstandene Landeskirchen mitbringt, den Rat der Konföderation, der die evangelisch-lutherischen Kirchen von Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie die Evangelisch-reformierte Kirche angehören.
Die Konföderation sah schon bei der Gründung 1971 die Option vor, dass die beteiligten fünf Landeskirchen eine gemeinsame Kirche in Niedersachsen bilden können. Über eine Fortentwicklung der Kooperation der fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen, bei der eine Föderation als möglicher Zwischenschritt im Gespräch ist, werden zunächst der Rat und Anfang März die Synode der Konföderation beraten. Ein klares Nein zu einer Fusion kommt bislang aus Oldenburg.
Streit über die Zukunft der Bischöfe
Nur kurz nach dem historischen Fusionsbeschluss hat die Verfassunggebende Synode der evangelischen Nordkirche die Planungen zur Zukunft der derzeit vier Bischöfe vorläufig gestoppt. Nach kontroverser Diskussion fand am Samstagnachmittag in Rostock-Warnemünde die Beschlussvorlage zu ihrer sogenannten Überleitung nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.
In geheimer Abstimmung votierten 176 Synodale für die Überleitung, zwei Stimmen mehr wären für die Verabschiedung erforderlich gewesen. 41 Synodale stimmten mit Nein, 25 enthielten sich. Zudem gab es zwei ungültige Voten bei 244 abgegebenen Stimmen.
Mit dem Beschluss zur Überleitung sollte die künftige Tätigkeit der Bischöfe Kirsten Fehrs (Hamburg), Gerhard Ulrich (Schleswig), Andreas von Maltzahn (Schwerin) und Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) in der Nordkirche näher geregelt werden. Über die rechtlichen Folgen der Entscheidung des Kirchenparlaments könnten im Moment keine Aussagen getroffen werden, sagte der Pressesprecher der pommerschen Kirche, Rainer Neumann, dem epd. Sein nordelbischer Kollege Frank Zabel kündigte an, dass die Gemeinsame Kirchenleitung am Sonntagvormittag der Synode einen neuen Vorschlag unterbreiten werde.
Die pommersche Kirche hatte um die Amtszeitverlängerung ihres Bischofs Abromeit lange gestritten, nachdem das pommersche Bischofswahlkollegium die Amtszeit des 57-jährigen Theologen im Dezember und im Vorgriff auf die bevorstehende Fusion mit Nordelbien und Mecklenburg um fünf Jahre bis 2018 verlängert. Andernfalls hätte sie Ende August 2013 geendet.
In der künftigen Nordkirche soll es in einer Übergangszeit bis 2018 im Sprengel Mecklenburg und Pommern zwei Bischöfe geben. Die Amtszeit des mecklenburgischen Landesbischofs Maltzahn dauert ohnehin bis Anfang 2019.