Entschuldigen muss mich immer ein anderer. Das gilt auch für Politiker.
Er geht mir selber ja auch immer wieder mal über die Lippen: dieser Satz "ich entschuldige mich". Aber geht das überhaupt, sich selbst zu entschuldigen, sich so von einer Schuld zu befreien, die man auf sich geladen hat: "Ich entschuldige mich!"? Ich finde, es ist nicht kleinlich, mal genau hinzuhören, auf die Wortwahl zu achten, wenn von Schuld und Vergebung die Rede ist.
"Das war ein schwerer Fehler, für den ich mich entschuldige." So hieß das am Mittwochabend bei Christian Wulff. Elfeinhalb Millionen Menschen haben ihm dabei zugeschaut. Ich auch. Ist die Sache damit also erledigt? Wird man so das los, was auf einem lastet? Wird so ein Fehler aus der Welt geschafft, dass ich sage "Ich entschuldige mich"?
Eigentlich muss der Satz doch heißen: "Ich bitte Sie, ich bitte Euch um Entschuldigung!" Und dann ist es an dem anderen oder an den anderen, mir zu vergeben und mich zu entschuldigen.
Ich glaube, dass einem Menschen, der so einen anderen um Vergebung bittet, diese nur selten verweigert wird. Martin Luther hat in einer seiner berühmten 95 Thesen von Wittenberg sogar geschrieben:
"Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlass von Strafe und Schuld…"
Sicher, dabei hat er an Gott gedacht, an einen unbegreiflich gnädigen Gott, der die Schuld von dem wegnimmt, der bereut.
Nur wer bereut, wird ent-schuldigt
Aber gilt das in Ansätzen nicht auch zwischen Menschen? Nur wer seine Fehler offen bekennt und – wie Luther sagt – "wirklich bereut", darf mit einer Ent-Schuldigung rechnen. Wer seine Fehler nur zu erklären versucht, statt aufrichtig um Entschuldigung zu bitten, wird auf Vergebung lange warten müssen. Das gilt in der Beziehung zu Menschen und wohl auch im Verhältnis zu Gott.
Eine Frau, die ich als Seelsorger begleite, hat mir geschrieben, was für eine Befreiung sie dadurch erlebt hat, dass sie endlich einmal alles, was sie vorher zu vertuschen und zu verbergen versucht hat, auf den Tisch gelegt hat. Keine Ausreden mehr, kein Versteckspiel mehr, sondern zu dem stehen, was sie falsch gemacht hat. Schon das hat ihr selbst gut getan – noch bevor sie wusste, wie ihre Umgebung reagieren würde. Aufrichtig mit sich selber und mit anderen sein – das ist für sie selber wie ein Neustart gewesen.
Natürlich fällt das schwer. Ich begebe mich damit ja in eine ganz wehrlose Situation: Ich liefere mich freiwillig dem Urteil der anderen aus. Aber genau das erst ist es, was den neuen Anfang möglich macht. Erst wer in der Weise für Klarheit sorgt, gewinnt eine neue Perspektive.
Dieser Zuspruch zum Thema Bundespräsident Wulff lief am Samstag, 7. Januar, 7.15 Uhr, im Radiosender hr1.
Helwig Wegner-Nord ist Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.