Spanien ist ganz Europas Drogen-Dealer
Spanien ist das wichtigste Einfallstor für Haschisch und Kokain nach Europa. Ein Teil der Drogen wird in andere EU-Länder geschmuggelt. Aber die Spanier konsumieren auch mehr Drogen als andere Europäer.
06.01.2012
Von Hubert Kahl

Mal kommt das Rauschgift in Kaffee-Containern ins Land, mal ist es mit gefrorenem Fruchtfleisch vermischt oder unter Holzlatten für Parkettfußböden versteckt. Die Drogenmafia lässt sich immer neue Tricks einfallen, um ihre Ware nach Spanien zu bringen. Das Land ist das wichtigste Einfallstor für den Schmuggel von Haschisch und Kokain nach Europa.

Es kommt nicht selten vor, dass die spanische Polizei oder die Küstenwache mit einer einzigen Fahndungsaktion mehrere Tonnen Rauschgift auf einmal sicherstellt. Aber niemand spricht in solchen Fällen von einem "schweren Schlag gegen die internationalen Drogenkartelle". Denn trotz aller spektakulären Fänge wurde das Rauschgift nie knapp. "Spanien verliert den Kampf gegen den Drogenschmuggel", titelte die Zeitung "Público" vor nicht allzu langer Zeit.

Beim Kokain gelangt der größte Teil des in Europa konsumierten Rauschgifts über Spanien auf den Kontinent. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Kartelle in den Hersteller-Ländern in Lateinamerika aufgrund der historischen und sprachlichen Bindungen Spanien als Einfuhrschleuse bevorzugen. Heroin und andere illegale Drogen spielen auf der Iberischen Halbinsel eine eher untergeordnete Rolle.+

Mehr Konsum als anderswo

Beim Haschisch-Handel ist Spanien allein aufgrund seiner geografischen Nähe zu Marokko, einem der größten Hanfanbauländer der Welt, das wichtigste Transitland in Europa. Nach Angaben des Madrider Innenministeriums stellten die spanischen Fahnder im Jahr 2010 fast 400 Tonnen Haschisch sicher. Das ist mehr als die Kollegen in den anderen EU-Ländern zusammengenommen.

Spanien sei, was Kokain und Haschisch betrifft, der "Dealer Europas", schrieb einmal die Zeitung "El Mundo". Mit weitreichenden Folgen für das Land: Die Spanier selbst sind zu bedeutenden Abnehmern und Konsumenten geworden.

Nach den Statistiken der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) schnupften 3,1 Prozent der Spanier zwischen 15 und 64 Jahren in den zurückliegenden zwölf Monaten wenigstens einmal Kokain - mehr als die Bewohner anderer EU-Staaten. Beim Haschisch-Konsum liegt der Wert bei 10,1 Prozent. Damit rangieren die Spanier an dritter Stelle hinter Tschechen (15,2) und Italienern (14,3 Prozent).

Auf dem Weg zum Drogenparadies

In größerem Umfang waren illegale Drogen erstmals in den 70er Jahren nach Spanien gelangt. Damals haftete dem Konsum noch ein Image des "Rebellischen" an. Zudem war die Polizei nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) darauf bedacht, nicht mehr als repressiv zu gelten, und ging ohne großen Nachdruck gegen den Drogenschmuggel vor.

Bis vor kurzem war der Rauschgifthandel beständig auf dem Vormarsch, drohte Spanien zu einem Drogenparadies zu werden. Mittlerweile zeichnet sich aber ein Wandel ab. In den vergangenen fünf Jahren gingen die Mengen sichergestellter Drogen zurück, bei Kokain sanken sie sogar auf fast die Hälfte. Eine Ursache für diese Entwicklung dürfte sein, dass die Regierung in Madrid den Kampf gegen die Drogenkriminalität zu einem Schwerpunkt ihrer Politik erklärt hat. Eine andere Ursache oder auch Folge: Die Spanier greifen verstärkt zum Alkohol.

dpa