Die "Bild"-Zeitung darf die Mailbox-Nachricht von Bundespräsident Christian Wulff nach Ansicht des Medienrechtlers Udo Branahl vollständig als Text oder Audio-Datei veröffentlichen. "Es gibt ein hohes öffentliches Interesse am Inhalt dieser Nachricht, und demgegenüber ist das Schutzinteresse Wulffs relativ gering", sagte der emeritierte Professor der TU Dortmund in einem epd-Gespräch. "Es geht schließlich um die Frage, ob der Bundespräsident öffentlich gelogen hat."
Grundsätzlich brauche die "Bild"-Zeitung zwar die Einwilligung Wulffs, weil die Nachricht nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als vertraulich zu behandeln sei. Dies gelte jedoch nicht bei überwiegendem öffentlichen Interesse. Bei der Mailbox-Nachricht handele es sich nicht um eine Angelegenheit der Privatsphäre, betonte Branahl. Wulff habe in diesem Moment als Bundespräsident gesprochen und daher in der Sozialsphäre agiert.
Das Interesse an der Nachricht bestehe, weil die Beteiligten verschiedene Versionen über den Inhalt verbreitet hätten. Diese Frage lasse sich nur in Kenntnis des vollständigen Textes klären. Wenn Wulff die Wahrheit gesagt habe, würde dies zu seiner Rehabilitierung beitragen, sagte Branahl. Wenn er hingegen gelogen habe, erweise er sich als ungeeignet für das Amt des Staatsoberhauptes. Insofern liege in jedem Fall ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vor.
Medienrechtler: Die Veröffentlichung als Audio-Datei ist zulässig
Nach Ansicht des Medienrechtlers wäre auch eine Veröffentlichung als Audio-Datei zulässig. Diese wäre nur problematisch, wenn jemand unbefugt den Anruf mitgeschnitten hätte, sagte Branahl. Das sei jedoch nicht der Fall. Insofern liege auch kein Verstoß gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis vor.
Wulff hatte am 12. Dezember, einen Tag vor der ersten Veröffentlichung zur Kreditaffäre, telefonisch bei der "Bild"-Zeitung interveniert und auf die Handy-Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann gesprochen. In einem Fernsehinterview am Mittwoch sagte er, dass er mit dem Anruf nur den Aufschub der Berichterstattung erreichen und diese nicht gänzlich verhindern wollte.
Die "Bild"-Zeitung widersprach dieser Darstellung und erklärte, der Anruf habe klar das Ziel gehabt, die Berichterstattung zu unterbinden. Um den Widerspruch aufzuklären, bat "Bild" den Bundespräsidenten am Donnerstag um seine Zustimmung zu einer Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht. Diese Bitte lehnte Wulff jedoch ab. Daraufhin erklärte ein "Bild"-Sprecher, die Zeitung werde den Wortlaut nicht veröffentlichen.