Kubas Regierung streitet im Netz mit der Opposition
In Kuba war das Internet bislang die Domäne der Dissidenten. Nun macht die kommunistische Regierung mobil gegen online-affine Oppositionelle. Selbst die Tochter von Präsident Raúl Castro bloggt - da sind Streitigkeiten etwa via Twitter programmiert.
06.01.2012
Von Isaac Risco

Selbst Kuba öffnet sich dem World Wide Web. Trotz chronischer Infrastrukturprobleme und einer insgesamt geringen Zahl von Internetnutzern spielt das Netz auf der Insel eine immer wichtigere Rolle. Hier suchen Dissidenten nach Freiheiten. Und die Regierung, erprobt in der Abwehr von Attacken von außen, erklärt den Cyberspace zur nächsten Front: Als Waffen dienen dem Regime von Präsident Raúl Castro Social-Media-Angebote wie Twitter, der Facebook-Klon "Redsocial" sowie "EcuRed", eine kubanische Version der Internet-Enzyklopädie Wikipedia.

Die Präsidenten-Tochter Mariela Castro gibt den Weg vor: Im vergangenen Jahr debütierte die Aktivistin für die Rechte von Frauen und Homosexuellen mit einem eigenen Blog. Offen übt die Direktorin des kubanischen Zentrums für sexuelle Aufklärung darin Gesellschaftskritik. Im November jedoch geriet sie mit Yoani Sánchez, einer der bekanntesten kubanischen Dissidentinnen, aneinander. Auf Twitter stritten sich Castro und die "Generation Y"-Bloggerin über Redefreiheit und das politische System. Auf Kritik anderer Twitter-User reagierte Castro mit einer Attacke und Begriffen wie "verachtenswerte Parasiten".

Eine Stunde Internet für 10 US-Dollar

Für die große Mehrzahl der Kubaner liegt die Teilnahme an solchen Debatten in weiter Ferne. Im Jahr 2009 kamen auf 100 Bewohner der Insel nach offiziellen Angaben nur 14,2 Internetnutzer. Und selbst diese Zahl bezog sich nur auf das kubanische Intranet, eine abgespeckte, staatliche Version des Internets. Tatsächlich im Internet surfen können nur etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung, wie die "Reporter ohne Grenzen" schätzen. Ein Grund sind die hohen Preise. Eine Stunde an einem Internetterminal in einem Hotel kostet etwa 10 US-Dollar - ein Kubaner im Staatsdienst verdient zwischen 20 und 30 Dollar im Monat.

Aber auch für die wenigen Nutzer ist der Netzzugriff eingeschränkt. Viele Webseiten sind blockiert. In einem Bericht von "Reporter ohne Grenzen" vom März 2011 wurde Kuba eine zweifelhafte Ehre zuteil: Zusammen mit neun anderen Staaten, unter ihnen Nordkorea, Saudi-Arabien und China, wurde der Insel der Titel "Feind des Internets" verliehen.

Trotzdem spielt das Internet eine immer wichtigere Rolle auf der Insel. Regimekritische Blogger und Befürworter stehen sich im Netz gegenüber. Nachrichtenseiten wie die "Havana Times" oder "Estado de Sats" bieten Nachrichten aus dem In- und Ausland, oft differenzierter und detailreicher als die staatlichen Medien. Selbst Regimetreue empfinden die Berichterstattung der Regierungssprachrohre "Granma" und "Juventud Rebelde" inzwischen als zu farblos.

Kuba will "Medienterrorismus" im Netz bekämpfen

Havanna bezichtigt große internationale Medienunternehmen der Voreingenommenheit in ihrer Berichterstattung über Kuba. Das US-Embargo und die feindliche Haltung Washingtons gegenüber Kuba zieht die Regierung als Rechtfertigung für ihre Zensur heran.

Den "Medienterrorismus", so die kubanische Wortwahl, will die Regierung nun im Netz aktiv bekämpfen. In mehreren Artikeln über neue Medien beschreibt die offizielle Internetseite "Cubadebate" die virtuelle Verteidigungsstrategie. Ein Teil dieser Strategie ist "Redsocial", ein soziales Netzwerk für Universitäten. Und die kubanische Wikipedia "EcuRed" feierte im Dezember ihren zweiten Geburtstag. Während "EcuRed" allerdings weltweit zugänglich ist, haben Internetnutzer auf "Redsocial" auch nur von innerhalb Kubas Zugriff.

Ein Beispiel für die neue Regierungstrategie sind die Twitter-Kampagnen gegen prominente Oppositionelle wie Yoani Sánchez. Die Bloggerin, kürzlich vom US-Magazin "Foreign Policy" zu den hundert einflussreichsten Menschen des Jahres gewählt, twittert von ihrem Handy aus. Regierungstreue User halten dagegen: Sie beschuldigen Dissidenten, von den USA finanziert zu werden.

dpa