Die seltsamen Ideen des Christian Wulff
Bundespräsident Christian Wulff hat sich in eine Situation gebracht, aus der er nicht als Bundespräsident herauskommen wird. Mindestens zwei Versuche des Bundespräsidenten, die Berichterstattung über sich zu beeinflussen oder zu verhindern, machen ihn als obersten Repräsentanten des Staates untragbar.
03.01.2012
Von Hanno Terbuyken

"Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda." So beschrieb Judith Holofernes, Sängerin von "Wir Sind Helden", Springers heißes Blatt im Februar 2011. Die Nähe zur "Bild", die Christian Wulff in den vergangenen Jahren auch positiv genutzt hat, hat ihn offenbar zu dem Gedanken verleitet, er habe Einfluss auf die Zeitung. Hat er aber nicht. Die "Bild" macht, was sie will – und sie hat per Artikel 5 des Grundgesetzes auch das Recht dazu.

Die wohl passendste Formulierung hat Wolfgang Krach auf süddeutsche.de geliefert: "Wie ein Landrat von Osnabrück" habe sich Wulff benommen. (Vermutlich war das aber keine gezielte Beleidigung von Dr. Michael Lübbersmann, dem tatsächlichen Landrat von Osnabrück). Der Bundespräsident hat jedenfalls nicht so gehandelt, wie man es vom Staatsoberhaupt erwarten würde.

Was will man da noch sagen? Die Kreditkrise hätten wir dem Bundespräsidenten Christian Wulff ja verziehen (siehe hier). Aber der Versuch, die Berichterstattung in der "Bild"-Zeitung über die Kreditaffäre zu verhindern und das auch noch auf dem Anrufbeantworter des Chefredakteurs von Deutschlands größter Boulevard-Zeitung zu dokumentieren – den kann man Christian Wulff nicht mehr nachsehen. Dass der Präsident schon im Sommer eine ähnliche Einflussnahme versucht haben soll, damals bei der "Welt" (siehe hier), macht die Sache nur noch schlimmer.

Wulff macht sich selbst untragbar

Wulff hatte schon unterschätzt, auf welche öffentliche Reaktion sein Privatkredit aus der Vergangenheit stoßen würde. Dass er in den Tagen nach seinem zweifelhaften Anruf bei "Bild"-Chef Diekmann bei jeder öffentlichen Gelegenheit den Wert der Pressefreiheit betonte, lässt sich im Nachhinein auch als schlechtes Gewissen deuten, präventive Schadensbegrenzung sozusagen. So oder so war der Anruf eine ganz seltsame Idee. Ob ein Politiker, der den Betrieb eigentlich kennen müsste und trotzdem auf so eine Idee kommt, dem Amt des Bundespräsidenten gerecht wird, muss man bezweifeln. Die zweifelhafte Rolle der "Bild"-Zeitung (siehe das heutige Altpapier) tritt darüber in den Hintergrund.

Dass Christian Wulff ein solches Verfassungsrecht wie die Pressefreiheit eigentlich lieber ignorieren würde als transparent und offen mit der Debatte umzugehen, macht ihn letzten Endes untragbar, gerade weil seine Worte seinen Taten widersprechen und er als Repräsentant des Staates sich so einen Lapsus nicht erlauben darf. Sobald die Kanzlerin sich entschieden hat, wen sie gerne als Nachfolger zur Wahl stellen würde, wird Wulff wohl seinen Hut nehmen. Tut er es nicht, wird er zur Witzfigur im Amt, der man die Beteuerung der Treue zum Grundgesetz nicht mehr abnehmen wird.


Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.