Benken war lange so etwas wie das Gorleben der Schweiz. Warum gab es lange eine Konzentration bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Ort im Kanton Zürich?
Moritz Leuenberger: Die Entsorgungsgesellschaft, die heißt bei uns NAGRA, ist ziemlich rasch auf Benken losgesteuert und hat verkündet: Benken ist optimal. Da haben wir dann gesagt: Halt, so geht das nicht. Das Verfahren muss viel transparenter, demokratischer und nachvollziehbar sein. Und da haben wir dann ein neues Verfahren geregelt. Da ist Benken nicht einfach weg. Es könnte am Schluss dieses Verfahrens sein, dass Benken einer der Standorte ist, der in die Endauswahl kommt. Aber man ist nicht weiter darauf fixiert.
Wie ist es in der Schweiz dazu gekommen, dass man sich für ein solches mehrstufiges Verfahren unter Beteiligung der Bürger entschieden hat?
Leuenberger: Als ich 1995 ins Amt kam, war der Kampf um ein Endlager in Wellenberg, hier ging es aber nur um schwach- und mittelradioaktiven Müll, in der Endphase. Bei den Veranstaltungen wurde gefragt, wo ist die Alternative? Von Anfang an habt ihr euch auf unseren Wellenberg fixiert, hieß es. Für uns ist es nicht transparent, warum ihr hier bei uns gelandet seid. Gestützt auf diese Argumentation suchten wir nach einem Verfahren, das in der Volksabstimmung auch argumentativ und für jedermann nachvollziehbar legitimiert werden kann. Und deswegen haben wir dieses ganz, ganz breite dreistufige Verfahren entwickelt, um ein Lager für schwach- und mittelradioaktive und eines für hoch radioaktive Abfälle oder aber ein Kombilager für beide Müllarten zu finden.
Wie sieht diese neue Endlagersuche aus?
Leuenberger: Zunächst kam die ganze Schweiz für ein Endlager infrage. Dann wurde nach den besten und sichersten geologischen Komponenten gesucht. Da kommen nun mehrere Regionen infrage in den Kantonen Jura, Aargau und Zürich. Es gibt eine bestimmte Gesteinsschicht, Opalinuston, die sich durch die Schweiz schlängelt und je nachdem wie die Beschaffenheit ist, ergeben sich dadurch die Regionen. Anschließend wird geschaut, wo überhaupt ein Lager unter soziologischen und wirtschaftlichen Aspekten errichtet werden könnte. Ein Endlager, wo die Zufahrt mitten in einer Stadt wäre, wäre ja schon technisch nicht möglich. Am Ende gibt es eine Einengung auf nur noch zwei Standorte.
Gorleben wurde in Deutschland aus dem Hut gezaubert, die Bürger aber nie gefragt. Wie werden die Schweizer konkret eingebunden?
Leuenberger: Es war immer klar, es gibt eine Volksabstimmung am Schluss. Aber das reicht nicht. Daher gibt es flächendeckend Bürgerbeteiligung durch Diskussionen, Workshops und Arbeitsgruppen. Es müssen am Schluss mindestens zwei Alternativen da sein, über die zwischen 2018 und 2020 entschieden werden soll. Alle Schritte zuvor müssen transparent sein. Damit sollen die Gegner am Ende sagen können, wir haben zwar verloren, aber das Verfahren war korrekt. Es darf also nicht einfach eine Diktatur der Mehrheit entscheiden, sonst könnte man nach dem Sankt-Florians-Prinzip auch einen Ort suchen und zur Wahl stellen, wo es am wenigsten Leute und Ärger gibt.