"Papa und Mama", 3. Januar, 20.15 Uhr auf 3sat
Dieter Wedel ist einer der letzten seiner Art. Einen "Gesellschaftsdiagnostiker" hat ihn der frühere ZDF-Fernsehspielchef Hans Janke genannt. Wedels Filme spielen grundsätzlich im Hier und Jetzt, und stets verweisen sie auf einen Missstand, an den die Gesellschaft sich längst gewöhnt hat. Politfilz und private Verschuldung in "Die Affäre Semmeling" oder der Umgang mit dem Alter und den Alten in "Der große Bellheim": Wedels Diagnosen gaben selten Anlass zur Hoffnung. Im Gegensatz zu sonstigen Gepflogenheiten verzichtete der Star-Regisseur in diesem Film darauf, die zentralen Figuren von namhaften Schauspielern verkörpern zu lassen; Silke Bodenbender und Fritz Karl hatten bei der Premiere 2006 längst nicht den Status, den sie heute besitzen.
Peter Ullrich (Karl) ist ein erfolgreicher Scheidungsanwalt, der sich wie viele Männer voll und ganz auf seine Karriere konzentriert hat; die Familie funktionierte ja von selbst. Sein Gegenstück ist der junge Referendar Thomas Hupach (Maximilian Brückner), der ein bisschen wie der geborene Verlierer wirkt, aber nach und nach liebenswerte Seiten offenbart. Gleiches gilt für den Anwalt, der jedoch erst mal aus allen Wolken fällt: Seine Frau (Bodenbender) zieht aus, scheinbar aus heiterem Himmel; dabei hat Ullrich bloß die Hinweise übersehen. Auch Thomas muss einen Schock verkraften. Eines Abend steht seine Mutter (Gisela Schneeberger) vor der Tür: Ihr Mann (Peter Weck) findet bei einer deutlich jüngeren Frau jene Bestätigung, die ihm seine Ehe nach 27 Jahren nicht mehr bieten kann.
Das zerbrochene Herz
Der Titel "Papa und Mama" klingt unnötig kindlich, soll aber laut Wedel die Perspektive vorgeben. Der Zweiteiler ist nicht nur eine Moritat über die Sprachlosigkeit unserer Gesellschaft, er will vor allem zeigen, wer die Opfer sind. Deshalb beginnen beide Filme mit einem kurzen inneren Monolog von Ullrichs halbwüchsiger Tochter Julia (Anna Hausburg); sie erinnert sich an jene Zeit, als ihre Welt zusammenbrach. Auch Referendar Thomas wird zum Opfer, denn als Sohn sitzt er selbstredend zwischen allen Stühlen. Kinder haben zwei Arme, an denen die Eltern im Trennungsfall zerren können, sagt der Richter im Scheidungsprozess; aber nur ein Herz, und das zerbricht dabei. Wie stets umkreist Wedel seinen Gegenstand, indem er auf mehreren Ebenen die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten schildert; die drastischste Variante endet mit Gattenmord.
Gerade mit der Besetzung der Hauptfiguren hat Wedel in diesem Drama erneut sein untrügliches Gespür für Schauspieler bewiesen; auch wenn es eine Weile dauert, bis ihre Figuren tatsächlich Anteil erwecken. Den zweiten Teil zeigt 3sat morgen Abend.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).