"Esperanza", 31. Dezember, 23.15 Uhr auf Einsfestival
Wenn ein Schiff einen alles andere als vertrauenswürdigen Eindruck macht, sprechen maritim bewegte Menschen gern von einem "Seelenverkäufer". Ihrem Namen zum Trotz hätte auch die "Esperanza" diese Bezeichnung verdient. Um so größer ist die Freude der Crew, als der Smutje (Boris Aljinovic) zum offenbar ersten Mal seit Menschengedenken wieder Passagiere anschleppt: Es ist Silvester, sie haben die Fähre verpasst. Die "Esperanza", nomen est omen, ist ihre letzte Hoffnung, und zwar in jeder Hinsicht; aber das können sie noch nicht ahnen.
Zsolt Bács, in Budapest geboren, in Deutschland aufgewachsen, hat mit "Esperanza" einen typischen Debütfilm gedreht: mit einem Dutzend Hauptrollen und ebenso vielen Handlungen, die fast ausnahmslos Stoff für eigene Geschichten sein könnten. Entsprechend überfrachtet wirkt das Werk zu Beginn: zu viele Figuren, zu wenig Entwicklung. Doch das Kalkül geht auf: Je mehr Persönlichkeit die Passagiere der "Esperanza" entwickeln, um so fesselnder wird der Film. Die Liebe zum Detail, mit der Bács und sein Drehbuchautor Wolf Jacoby die Biografien entworfen haben, verdeutlicht, wie lange der Ungar über der Geschichte gebrütet hat.
Ein einseitiger Deal mit Gott
Tragischste Figur ist Konstanze (Konstanze Proebster), die einen allerdings einseitigen Deal mit Gott geschlossen hat: Wenn er ihr bis zum Abschluss ihres vierzigsten Lebensjahres keinen passablen Mann präsentiert, wird sie sich umbringen. Gott hat nicht mehr viel Zeit; genau genommen nur noch bis Mitternacht. Franz (Frank Giering), ein komischer Heiliger, wäre trotz seines heftigen Werbens um Natascha (Mavie Hörbiger) immerhin ein geeigneter Kandidat. Und dann sind da noch die Wiener Staatsanwältin (Proschat Madani), die so beharrlich ihre orientalischen Wurzeln leugnet, oder Henry (Luc Feit), der Knacki, den es ins Gefängnis zurückzieht, weil das Dasein dort überschaubar und beschaulich ist. Der taubstumme Maschinist (Andreas Hoppe) schließlich ist gleichzeitig auch der Hüter der letzten Stunde, die einem der Reisenden tatsächlich schlägt; aber er sorgt schließlich dafür, dass eine höchst gefährdete Seele gerettet wird.
Und so gelingt es Bács und Jacoby auf wundersame Weise, die Überfahrt zu einem für alle Teilnehmer wunderbaren Ende zu führen. Reiseleiter ist der allerdings nur stimmlich präsente Ben Becker als Kapitän, der Publikum und Passagiere mit seinem unverwechselbaren Bass zielsicher durch die Handlung dieses mit wenig Geld, aber viel Hingabe entstandenen Films leitet.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).