Vor Papstbesuch fordert die Kirche in Kuba Reformen
Papst Benedikt XVI. will im kommenden Frühjahr Kuba und Mexiko besuchen. Die Bischöfe in den beiden Ländern begrüßen die Reisepläne. Doch die kubanische Regierung in Havanna schweigt.
30.12.2011
Von Franz Smets

Die Ankündigung Papst Benedikts, Kuba und Mexiko zu besuchen, hat in den beiden Ländern für erhebliches Aufsehen gesorgt. Die mexikanischen Katholiken warten seit langem auf Benedikt XVI. - sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte das überwiegend katholische Land während seines Pontifikats fünfmal besucht. Aber in Kuba ist eine Visite eine komplexe Angelegenheit. "Mexiko war sicher eine Notwendigkeit", sagte der Kardinal von Havanna, Jaime Ortega, in einer ersten Reaktion. "Kuba ist eine Priorität."

Nach einem halben Jahrhundert der Unterdrückung durch ein kommunistisches Regime befindet sich die Kirche in Kuba wieder im Aufwind. Ortega spricht sogar von einem "Glaubensfrühling", der von der Führung unter Präsident Raúl Castro zugelassen wird. Raúl, der 2006 die Führung des durch staatliche Planwirtschaft marode gewordenen Landes von seinem Bruder Fidel Castro übernahm, hat zwar Wirtschaftsreformen eingeleitet, doch der Sozialismus soll nicht angetastet werden. Das würde bedeuten, dass die Menschen auch weiterhin vom Staat, beziehungsweise von der kommunistischen Partei bevormundet und in ihren wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Betätigungen eingeschränkt würden, so befürchten viele.

"Kirche kann nicht Partei der Opposition sein"

Hier fühlt sich die Kirche gefordert. Sie ist in den vergangenen Jahren zu der Institution geworden, die einen gesellschaftlichen Dialog forderte und förderte und zwischen der Regierung und ihren Gegnern zu vermitteln versuchte. Herausragend war die zwischen Ortega und Raúl Castro ausgehandelte Freilassung von gut 100 politischen Gefangenen im vergangenen Jahr, die allerdings in den meisten Fällen mit der Ausweisung nach Spanien erkauft wurde.

Dafür gab es auch Kritik an dem Kardinal. Er habe sich dem Regime angebiedert und ihm geholfen, missliebige Oppositionelle loszuwerden, hieß es. Eine Gruppe von Dissidenten beklagte sich in einem Brief an Benedikt darüber, dass sie nicht an den Verhandlungen beteiligt gewesen seien. "Die Kirche kann nicht die Partei der Opposition sein", war und ist dagegen die Maxime des kubanischen Kardinals, die letztlich zur Annäherung zwischen Kirche und Regime führte. Raúl war sogar im November vergangenen Jahres dabei, als erstmals seit der Revolution ein Priesterseminar eingeweiht wurde.

Damit hatte er auch die neue Rolle der Kirche unterstrichen, die diese für den Zusammenhalt des Landes einnehmen könnte. Damals hatte die bis dahin größte Mobilisierung der Katholiken seit vielen Jahren begonnen: Eine Prozession mit der Barmherzigen Jungfrau von Cobre. Die Figur der Nationalheiligen, deren Verehrung vor 400 Jahren begann, wurde inzwischen durch das ganze Land getragen, in Städten, Dörfern, Krankenhäusern, Kirchen und Gefängnissen gezeigt. Es habe sich sogar eine Einheit der Streitkräfte vor ihr verneigt, schrieb die linksgerichtete mexikanische Zeitung "La Jornada" in einem Bericht aus Kuba.

Hoffnung auf ein besseres Leben mit der Kirche

Die vor 400 Jahren in einer Bucht gefundene Heiligenfigur ist in Kuba nicht nur Gegenstand der katholischen Verehrung. Sie wird, seit sie bei den Kämpfen um die Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert eine Rolle gespielt hatte, auch von den aus Afrika stammenden Religionen angebetet. Die Kirche teilte nicht mit, wie viele Menschen bei den Prozessionen mobilisiert wurden. Es hieß nur, es seien mehr als erwartet gewesen. Kardinal Ortega wurde mit den Worten zitiert: "Dieses zeigt, dass sich Kuba im Glaubensfrühling befindet."

Vom Glaubensfrühling ist es nicht weit zur Hoffnung auf ein besseres Leben, das den Kubanern seit Jahrzehnten vorenthalten wird. Vor wenigen Tagen kritisierte die kleine Zeitung der Erzdiözese von Havanna "Espacio Laical" die Regierung, sie habe mit den bisherigen Reformschritten die Erwartungen des Volkes enttäuscht. "Die KP Kubas klebt immer noch an fehlgeschlagenen Dogmen und hält eisern an einer vertikalen Beziehung zur Gesellschaft fest", hieß es in dem Kommentar. "Jede Reform, die erfolgreich sein will, muss eine politische Erneuerung durchmachen und diese muss bei der kommunistischen Partei beginnen."

epd