Die Zahl der Arbeitslosen, die direkt in die Hartz-IV-Grundsicherung abrutschen, nimmt zu. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe) ist mittlerweile jeder vierte Beschäftigte, der arbeitslos wird, sofort auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen. Dabei handele es sich häufig um Geringqualifizierte. Knapp ein Drittel sei als Leiharbeiter tätig gewesen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf eine Analyse der Bundesagentur für Arbeit.
Die Zahl der Menschen, die nach einem Jobverlust sofort auf Hartz IV angewiesen sind, hat demnach seit 2008 deutlich zugenommen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hielt dem entgegen, insgesamt gebe es weniger Arbeitslosengeld-II-Bezieher als je zuvor. Mit 1,9 Millionen liege die Zahl auf dem niedrigsten Stand seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005, erklärte ihr Sprecher. Die SPD forderte Initiativen gegen Niedriglöhne und den Missbrauch der Leiharbeit.
Die Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung sinken
Die Untersuchung der Bundesagentur zeigt dem Zeitungsbericht zufolge, dass immer mehr der neu arbeitslos Gewordenen kein oder zu wenig Geld aus der Arbeitslosenversicherung bekommen. "Entweder war die Beschäftigungszeit zu kurz, um Ansprüche zu erwerben, oder das früher erzielte Lohneinkommen war zu niedrig, um mit dem daraus abgeleiteten Arbeitslosengeld-Anspruch den Bedarf zu decken, und muss mit Arbeitslosengeld II aufgestockt werden", heißt es in dem Papier.
Einen Anspruch auf das deutlich höhere Arbeitslosengeld I besitzt nur, wer innerhalb der letzten zwei Jahre vor Verlust seines Arbeitsplatzes mindestens ein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Arbeitslosengeld I wird in der Regel zwölf Monate ausgezahlt. Wer länger ohne Job bleibt, erhält danach Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Im Durchschnitt beläuft sich das Arbeitslosengeld I auf 812 Euro im Monat. Ein alleinstehender Hartz-IV-Empfänger erhält 364 Euro, ab 1. Januar 374 Euro.
Nach Angaben der Bundesagentur verloren in den vergangenen zwölf Monaten bis Ende November 2011 etwa 2,8 Millionen Beschäftigte ihren Job. 737.000 wanderten danach sofort ins Hartz-IV-System, pro Monat waren dies 61.000. Vor drei Jahren, im November 2008, waren es monatlich noch 51.000.
Mindestlohn einführen, Zeitarbeiter besser bezahlen?
Das Bundesarbeitsministerium erklärte, um die Lage der Arbeitslosen unter den Hartz-IV-Empfängern einschätzen zu können, müsse auch berücksichtigt werden, dass im vergangenen Jahr 920.000 eine Beschäftigung auf dem normalen Arbeitsmarkt gefunden hätten. Das seien mehr als jene, die arbeitslos geworden sein.
Die Zahl derer, die aus dem Job direkt in das Arbeitslosengeld II rutschten, erkläre sich auch aus dem häufigen Wechsel zwischen kurzfristigen Beschäftigungen und erneutem Hartz-IV-Bezug, so das Ministerium. Die Zahlen sagten daher wenig darüber aus, ob sich die Lage derer, die vor der Arbeitslosigkeit lange in einem Job waren, tatsächlich verschlechtert habe.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Hubertus Heil warf der schwarz-gelben Koalition Untätigkeit vor. Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigten, dass Deutschland eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt brauche. Dazu gehörten Maßnahmen gegen den Missbrauch von Leiharbeit, die zunehmenden Befristungen und ein gesetzlicher Mindestlohn.
Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, forderte eine bessere Bezahlung für Zeitarbeiter. Diese verdienten oft 30 bis 40 Prozent weniger als die Stammbelegschaft. "Das geht nicht", sagte der Chef des CDU-Sozialflügels der "Rhein-Zeitung" (Freitagsausgabe). Dass immer mehr Arbeitslose sofort auf Hartz IV angewiesen sind, sei ein Beweis, dass Zeitarbeiter besser entlohnt werden müssen.