Ein direkter Zusammenhang zwischen dem aktuellen Streit in der Regierungskoalition und dem Bombenterror in Bagdad lässt sich nicht nachweisen. 70 Menschen starben in Iraks Hauptstadt, nur einen Tag nach dem Abzug der letzten US-Truppen. Doch für die meisten Iraker und auch für internationale Beobachter sind die Anschläge, die Iraks Hauptstadt jetzt erschüttert haben, die Folge der Konfrontation von Sunniten und Schiiten im Parlament und im Kabinett von Ministerpräsident Nuri al-Maliki.
Die Eskalation im Irak lässt auch für die Zukunft im Krisenland Afghanistan nichts Gutes erahnen. Denn ähnlich wie die US-Armee im Irak versuchen auch die NATO-Truppen in Afghanistan, die Verantwortung für die Sicherheit schrittweise an die von ihnen ausgebildeten einheimischen Truppen zu übergeben. Diese haben jedoch im Irak wie in Afghanistan große militärische Defizite. Und nach Angaben der Anti-Korruptionsbehörde Transparency International unterstehen sie jeweils für ihre Korruption berüchtigten Regierungen.
Innenpolitische Krise
Wer nun erwartet, dass die Terrorwelle die verfeindeten Parteien in Bagdad, die sich gegenseitig seit Tagen mit Rücktrittsforderungen und Beleidigungen überziehen, an einen Tisch bringt, könnte enttäuscht werden. Anstatt sich in der Krise zusammenzuraufen, gießen sie noch mehr Öl ins Feuer.
Mehrere schiitische Politiker aus der Partei von Al-Maliki behaupteten nach den Anschlägen, dies sei nun wohl die Reaktion der extremistischen Sunniten auf den Haftbefehl gegen den angeblich in Terroranschläge verwickelten sunnitischen Vizepräsidenten Tarik al-Haschimi.
Dabei hatte Al-Haschimi einst selbst durch den Terror mehrere Angehörige verloren. Der Parlamentsabgeordnete Ibrahim al-Rakabi, der zu Al-Malikis Rechtsstaat-Allianz gehört, erklärte in einem Interview mit einer irakischen Agentur: "Der zeitliche Zusammenhang dieser Serie von Explosionen in Bagdad mit dem Haftbefehl gegen Al-Haschimi zeigt, dass es eine Verbindung zu den juristischen Schritten gegen Al-Haschimi gibt."
Al-Maliki beharrt auf seinen Kurs
Der mit Al-Haschimi verbündete Chef des Al-Irakija-Bündnisses sagte dem TV-Sender Al-Arabija in einem Interview aus Beirut, der Terror habe erneut die Unfähigkeit der Al-Maliki unterstehenden Sicherheitskräfte bewiesen. Der Ministerpräsident solle zurücktreten.
Al-Maliki denkt jedoch weder an Rücktritt noch an Kompromisse. Er werde sich von seinem Kurs auch durch den Terror nicht abbringen lassen, erklärt er wenige Stunden, nachdem zwölf Bomben in der Hauptstadt explodiert und mehrere Raketen vom Typ Katjuscha auf dem Flugplatz der Stadt Mossul eingeschlagen waren.
"Es ist die Pflicht aller politischen Führer im Irak, rasch, verantwortungsvoll und vereint zu agieren, um die Verantwortung für die Beendigung der Gewalt zu schultern", erklärt der Sondergesandte von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Irak, Martin Kobler. Doch Appelle an die Vernunft und das Verantwortungsbewusstsein der Amtsträger und Parteivorsitzenden verhallen derzeit in Bagdad ungehört. Selbst die Amerikaner, die hier erst vor wenigen Tagen ihren letzten Militärstützpunkt verlassen hatten, haben schon jetzt kaum noch Einfluss. Al-Maliki verbittet sich alle mahnenden Worte.