Warum nicht gleich so, Herr Wulff?
Bundespräsident Christian Wulff hat sich für seinen Umgang mit dem Privatkredit entschuldigt und die Bürger um neues Vertrauen gebeten. Damit sollte es jetzt gut sein. So lange keine Hinweise auf tatsächliche Korruption vorliegen, muss auch für den Bundespräsidenten gelten: Verfehlung ist möglich, Vergebung auch.
22.12.2011
Von Hanno Terbuyken

"Nicht alles, was rechtmäßig ist, ist richtig", hat der Bundespräsident bei seiner persönlichen Erklärung zur Kreditkrise gesagt. Schon als es vor dem niedersächsischen Landtag darum ging, wo er den 500.000-Euro-Kredit denn eigentlich her habe, hätte er die gesamten Hintergründe offenlegen sollen - dass er damals nur die formaljusristisch korrekte Antwort gegeben hat, tue ihm heute Leid.

Damit ist es doch eigentlich getan. Man fragt sich: Warum nicht gleich so? Als Bundespräsident hätte Wulff genug Statur haben müssen, das schon bei Beginn seiner persönlichen Kredit-Krise zu sagen - zumal er wusste, dass Journalisten Einblick in das Großburgwedeler Grundbuch eingeklagt hatten und selbst Details seiner Bankgeschäfte und Privatreisen offenlegte.

Überzogene Forderungen nach Rücktritt

Anscheinend hat der Bundespräsident die Wirkung seines Privatkredits von einem reichen Unternehmer auf die mediale Öffentlichkeit unterschätzt. Es erscheint aber auch absurd, dass Günther Jauch in der ARD nicht nach dem "ob", sondern dem "wann" von Wulffs Rücktritt fragte, dass der "Spiegel" mit den Worten "Der falsche Präsident" titelte und dass die Deutsche Presse-Agentur direkt nach der Erklärung des Bundespräsidenten eine Eilmeldung verschickte mit dem Titel: "(Eil - Überblick 1545) Bundespräsident Wulff tritt nicht zurück – Entschuldigung". Gleich nach Rücktritt zu rufen – was auch die politische Opposition nicht getan hat – war weit übertrieben.

Er hat sich entschuldigt, vielmehr noch: Wulff hat die Bürger um Verzeihung gebeten, dass er etwas Rechtmäßiges getan hat, was moralisch vielleicht fragwürdig sein könnte. "Das war nicht geradlinig und tut mir Leid", hat er über seinen Privatkredit in der Erklärung vom Donnerstag gesagt. Er hat auch gesagt, persönliche Freundschaften seien ihm sehr wichtig, und versichert, dass er in seinen bisherigen Ämtern niemandem einen Vorteil gewährt habe.

Auf so etwas haben die bisherigen Recherchen der Journalisten auch noch keine Hinweise gefunden. Damit bleibt die Frage: War es unmoralisch, von einem jahrelangen Freund, der Egon Geerkens für Wulff ja ist, einen Privatkredit in Anspruch zu nehmen? Für jede Privatperson ist das kein Problem. Dass das Staatsoberhaupt sich dadurch in die Nähe von Korruption rückt, liegt nahe. Aber erstens war Wulff damals noch nicht Bundespräsident, und zweitens dürfen auch Politiker Freunde haben – es wäre schon beinahe unmenschlich, wenn nicht.

Den Terz hätte Wulff sich ersparen können

Hat Wulff seinem Kreditgeber im Gegenzug einen Vorteil verschafft? Bislang gibt es darauf keine Hinweise, auch die Staatsanwaltschaft Hannover hat nach diversen Anzeigen den Fall geprüft und kein Korruptionsverfahren eröffnet. Sollte das so sein, dann reden wir über ein ganz anderes Kaliber an Verfehlung. Aber so hat Wulff einfach falsch eingeschätzt, welches Echo ein vor Jahren abgeschlossener Vorgang heute noch haben kann, weil er nicht völlig offenherzig war.

"Nicht alles, was rechtmäßig ist, ist richtig", hat der Bundespräsident nun aber erkannt. Und Wulff hat vor der Aufzeichnung der Weihnachtsansprache (nach Aussage von Teilnehmern) auch noch etwas anderes gesagt: In der heutigen Zeit des Internets komme alles, was man irgendwann einmal gemacht habe, irgendwann ans Licht, und darauf sollte man vorbereitet sein. Wenn er von vornherein darauf vorbereitet gewesen wäre, die moralische Grauzone einzugestehen und um Vergebung zu bitten, hätte sich Bundespräsident Wulff den Hick-Hack und die Rücktritt heischenden Schlagzeilen der vergangenen Tage wohl ersparen können.

Wir können jedenfalls sicher sein, dass er nach diesen Tagen nicht noch einmal auf die Idee kommt, einen Privatkredit aufzunehmen. Fröhliche Weihnachten.


Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de.