Ruf nach persönlicher Wulff-Erklärung wird lauter
Die Opposition lässt nicht locker: Ohne persönliche Stellungnahme zu den Vorwürfen um Privatkredit und Unternehmer-Kontakte will sie den Bundespräsidenten nicht in die Weihnachtsfeiertage entlassen. Die Antikorruptions-Organisation Transparency International rief Wulff auf, noch vor Weihnachten "reinen Tisch zu machen".

SPD-Chef Sigmar Gabriel wünscht sich eine persönliche Stellungnahme von Bundespräsident Christian Wulff zu dessen Privatkredit und engen Kontakten zu befreundeten Unternehmern. "Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident alle offenen Fragen persönlich beantwortet", sagte Gabriel der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). Die Grünen warfen Wulff vor, die Öffentlichkeit auf Distanz zu halten, und forderten ebenfalls persönliche und umfassende Antworten des Bundespräsidenten.

Es sei ein merkwürdiger Vorgang, wenn ein Bundespräsident die Fragen, die es in der Bevölkerung zu Recht gebe, nur noch von seinen Anwälten beantworten lasse, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, der Zeitung "Die Welt" (Donnerstag). "Mehr Distanz zwischen Staatsoberhaupt und Öffentlichkeit gab es lange nicht." "Wenn Christian Wulff nicht als Salami-Präsident in die Geschichte eingehen will, muss er endlich Antworten geben. Persönlich und umfassend", forderte sie.

"Dass nicht er, sondern seine Anwälte kommunizieren, halte ich für unglücklich", erklärte auch SPD-Chef Gabriel. Allerdings sei es allein Sache des Bundespräsidenten, wie er mit den Vorwürfen umgeht. "Niemand kann ihm da einen Ratschlag geben, schon gar nicht die Opposition. Ich fürchte allerdings, dass die Affäre dazu beiträgt, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in Politik haben. Der Titel seines Buches wäre auch jetzt die richtige Leitlinie: "Besser die Wahrheit"."

Transparency fordert Erklärung Wulffs noch vor Weihnachten

Die Antikorruptions-Organisation Transparency International forderte Wulff auf, noch vor seiner Weihnachtsansprache mit einer öffentlichen Erklärung reinen Tisch zu machen. Eine Weihnachtsansprache Wulffs zum Zusammenhalt in der Gesellschaft sei "peinlich hoch drei", solange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Raum stünden, sagte die Vorsitzende der Organisation, Edda Müller, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag).

Eine Erklärung biete für Wulff die Chance, neues Vertrauen und Respekt bei den Bürgern zu gewinnen. Bisher verschanze er sich hinter Anwaltsbüros und juristischen Spitzfindigkeiten, kritisierte Müller.

In seiner am Mittwochnachmittag aufgezeichneten Weihnachtsansprache ging Wulff nach Angaben aus Teilnehmerkreisen nicht auf die Vorwürfe ein. Lediglich bei der Begrüßung der Zuhörer vor der offiziellen Aufzeichnung äußerte er sich indirekt und eher beiläufig dazu, wie Teilnehmerin Christiane Bohn aus Berlin der Nachrichtenagentur dpa sagte: Wulff habe erklärt, dass in der heutigen Zeit des Internets alles, was man irgendwann einmal gemacht habe, irgendwann ans Licht komme und man darauf vorbereitet sein sollte.

Die Fernsehaufzeichnung wurde von etwa 70 Gästen in Wulffs Amtssitz Schloss Bellevue verfolgt. Die Rede, in deren Mittelpunkt er den Zusammenhalt in der Gesellschaft und in Europa stellte, soll am Abend des ersten Weihnachtstags ausgestrahlt werden.

Steht ein weiterer Rücktritt eines Bundespräsidenten bevor?

"Niemand kann sich wünschen, dass innerhalb von zwei Jahren der zweite Bundespräsident zurücktritt", sagte Gabriel weiter. "Damit würde das Vertrauen in die demokratischen Institutionen schwer beschädigt. Umso wichtiger ist jetzt Aufklärung."

Wulff steht in der Kritik, weil er 2008 noch als niedersächsischer Ministerpräsident von der Frau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens einen 500.000-Euro-Kredit für den Kauf eines Privathauses aufnahm, diesen 2010 auf eine Anfrage im Landtag aber unerwähnt ließ.

Auch die große Nähe Wulffs zu Unternehmergrößen ist umstritten. So verbrachte er als Regierungschef zwischen 2003 und 2010 sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf Norderney - als deren Gast. Der mit ihm befreundete Geschäftsmann Carsten Maschmeyer hatte im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007/2008 eine Anzeigenkampagne für das Wulff-Buch "Besser die Wahrheit" finanziert. Von diesen Zahlungen wusste Wulff nach Angaben seines Anwalts, Maschmeyers und des Verlages jedoch nichts.

dpa