Das muss ihm erst mal einer nachmachen: Als großer Verlierer mit enttäuschenden Einschaltquoten geht Harald Schmidt in die Weihnachtspause, als Gewinner kehrt er im Januar zurück, denn dann darf er dreimal statt wie bisher zweimal pro Woche auf Sat.1 ran. Möglich gemacht hat es Kollege Johannes B. Kerner, der mit seiner Show kläglich gescheitert ist und den Sendeplatz am Donnerstag geräumt hat – freie Bahn für Dirty Harry, der im neuen Jahr dienstags, mittwochs und eben donnerstags zu sehen ist. Am 21. Dezember läuft zur gewohnten Sendezeit 23.15 Uhr die letzte Ausgabe von "Die Harald Schmidt Show" in diesem Jahr, 2012 geht es dann am 10. Januar weiter.
Für den Zyniker der Nation erfüllt sich mit dem dritten Sendeplatz ein Traum, auf eine zusätzliche Ausgabe für seine Late-Night-Show hatte er spekuliert. Für seinen Sender Sat.1 aber, zu dem Harald Schmidt vor gut drei Monaten nach mehrjährigem Gastspiel bei der ARD zurückgekehrt war, ist es eine mehr oder weniger verzweifelte Flucht nach vorn. Schmidts Einschaltquoten sind desaströs und für einen rein werbefinanzierten Sender eigentlich völlig inakzeptabel: In den vergangenen Wochen schalteten oft nicht einmal 700.000 Zuschauer ein, die Marktanteile in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen liegen derzeit schon einmal bei verheerenden fünf oder sechs Prozent und damit weit unter Senderschnitt. Sat.1 hofft nun darauf, dass sich bei drei statt wie bisher zwei Ausgaben pro Woche auch wieder mehr Stammkundschaft bilden wird. "Indem wir die wöchentliche Frequenz einer inhaltlich sehr starken Sendung erhöhen, machen wir aus der ‚Harald Schmidt Show’ endlich eine richtige Late Night", macht sich der neue Sat.1-Geschäftsführer Joachim Kosack selber Mut.
Schmidt beherrscht die hohe Kunst der Late-Night-Show - wenn er Lust hat
Ob Schmidts Show inhaltlich als "sehr stark" einzustufen ist, darüber gehen die Meinungen der Kritiker freilich auseinander. Während die einen betonen, dass einer wie der freche Dirty Harry gerade heutzutage unverzichtbar für die von eher blassen Gestalten wie Jörg Pilawa oder Kai Pflaume geprägte Showlandschaft im deutschen Fernsehen ist, beobachten andere an dem 54-Jährigen schon seit Längerem eine gewisse Lustlosigkeit und Beliebigkeit. Tenor: Eigentlich kann er es viel besser, aber er macht einfach zu wenig aus seinen Möglichkeiten. Tatsächlich kann Schmidt zuweilen bei Showelementen oder Gästen, die ihn nicht sonderlich interessieren, einen gelangweilten Eindruck kaum verbergen.
Auch die Scherze über Guttenberg, Westerwelle oder Lothar Matthäus, die er im Standup-Teil zu Beginn jeder Sendung vorträgt, sind mal mehr, mal weniger lustig. Wie lässig und selbstironisch Harald Schmidt die Gags allerdings präsentiert, ist nach wie vor unerreicht. Und bei Gästen, für die er sich erwärmen kann, wie erst kürzlich für den zerknautschten Komiker Helge Schneider, blitzt zuweilen auch etwas von Schmidts alter Klasse durch. So ließ sich Schmidt mit Schneider erst auf das bei diesem Duo erwartbare sinnfreie Geplänkel und Gekicher ein, bevor er ihn mit der spontanen Frage verblüffte: "Hast du Angst vor dem Tod?" Der überraschte Schneider wich aus.
Als unbestritten gilt: Harald Schmidt ist der einzige deutsche Entertainer, der die hohe Kunst der Late-Night-Show beherrscht – wenn er denn Lust dazu hat. Bleibt zu hoffen, dass der dritte Sendeplatz dem lustigen Schwaben neuen Wind unter die Flügel bläst, denn das von Show-Beamten und Ausrechenbarkeit geprägte deutsche Unterhaltungsfernsehen braucht einen Freigeist wie ihn dringend. Wie gut Harald Schmidt einmal war, davon zeugt die neue DVD-Box "Die Harald Schmidt Show – Die ersten 100 Jahre", die sein früherer Adlatus Manuel Andrack zusammengestellt hat und die Höhepunkte aus Schmidts erster Sat.1-Periode von 1995 bis 2003 umfasst. Sollten Schmidts Quoten aber auch im neuen Jahr im Keller bleiben, wird die Geduld von Sat.1 schon bald erschöpft sein.
Martin Weber ist Medien- und Fernsehjournalist in Berlin.