"Wolfsfährte", 17. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Wenn ein schottischer Schriftsteller seine Geschichten in Hamburg ansiedelt, ist das durchaus ungewöhnlich. Weniger überraschend ist dagegen der Umstand, dass sich die Degeto die Filmrechte an Craig Russells Jan-Fabel-Büchern gesichert hat. Der Ruf der ARD-Tochter mag aufgrund allzu vieler allzu leichter Freitagsmelodramen nicht der beste sein, aber die Adaptionen von Kriminalromanen ("Kommissar LeBrea", "Mordkommission Istanbul", "Commissario Laurenti") sind regelmäßig sehenswert. "Wolfsfährte" ist die erste Verfilmung von bislang vier Krimis mit dem Hamburger Kommissar Fabel, der unbedingt weitere folgen sollten.
Die offenkundige Qualität des Krimis liegt nicht nur in der von Daniel Martin Eckhart adaptierten Geschichte, die sich im Vergleich zum herkömmlichen Fernsehkrimi geradezu an der eigenen Undurchschaubarkeit ergötzt. Große Lust auf Fortsetzungen macht vor allem das ausgezeichnete Ensemble. Die wie für Peter Lohmeyer geschaffene Hauptfigur, der etwas düstere Jan Fabel, der in einem anderen Leben Historiker war, ist umgeben von interessanten Figuren, die ähnlich treffend besetzt sind.
Lisa Maria Potthoff spielt Fabels Mitarbeiterin Maria, die eindeutig mehr als bloß Bewunderung für ihren Chef hegt; und Hinnerk Schönemann verkörpert den ehrgeizigen Henk Hermann, der im Verlauf des Falls neu zu Fabels Team stößt. Weitere Mitwirkende sind Marie Lou Sellem (Polizeipsychologin und Fabels Geliebte), Lars Rudolph (Fabels Freund Aki) und Manfred Lehmann (Fabels Chef).
Killer orientiert sich an Märchen der Brüder Grimm
Sie alle profitieren von einer Geschichte, die an Komplexität jeden "Tatort" weit in den Schatten stellt. Der Film beginnt mit einer gescheiterten Verhaftung, in deren Verlauf ein Polizist erschossen wird und Maria traumatisierende Momente zwischen Leben und Tod verbringt. Der von Schuldgefühlen geplagte Fabel nimmt sich eine Auszeit, aber dann wird er wieder gebraucht: Ein Märchenmörder treibt sein Unwesen. Jedes Mal hinterlässt er eine Botschaft mit verschlüsselten Hinweisen auf seine nächste Tat. Buchhändler Aki findet raus, dass der Killer sich an den Märchen der Brüder Grimm orientiert. Trotzdem kann die Polizei keinen der Morde verhindern. Ins Visier gerät mehr und mehr ein Schriftsteller (Markus Boysen). Der Mann hält sich nicht nur für einen Werwolf, in seinem jüngsten Thriller begeht ein Mörder ganz ähnliche Untaten; und immer mehr Spuren deuten darauf hin, dass tatsächlich ein Wolf im Spiel ist.
Der Reiz der Handlung resultiert naturgemäß aus dem perfiden Spiel mit bekannten Märchenmotiven, den diversen falschen Fährten und der angelsächsischen Tradition des Serienkillers. Seine Faszination aber entfaltet der Film durch Urs Eggers am amerikanischen Kino orientierten düsteren Umsetzung (Kamera: Martin Kukula) und die Führung des großartigen Ensembles.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).